322 - Götterdämmerung
mit seiner Gefährtin und wandte sich wieder an Gauti. »Kannst du uns wenigstens sagen, wessen wir beschuldigt werden?«
Bevor ihn wieder jemand unterbrechen konnte, antwortete der Götländer ohne Umschweife. »Die meisten hier glauben, ihr wäret Höllenwesen. Ihr seid hier, um das Gegenteil zu beweisen.« Als er die Verblüffung in den Gesichtern der Fremden sah, dämmerte ihm erst, wie ahnungslos die beiden waren. Nach dem Überfall bei der Höhle und der gewaltsamen Entführung in das Dorf mussten sie geglaubt haben, Opfer von Mördern und Räubern zu sein. Mit dieser Erkenntnis beeilte sich Gauti, schnell fortzufahren.
»Diese Menschen hier glauben an Götter, Geister, Dämonen, Elfen und Hexen. Die Verbindung mit ihnen bestimmt ihr Leben. So halten sie euer Tier für den Götterwolf Fenrir, der nach einer Legende gemeinsam mit der Schlange Jörmungandr während der Götterdämmerung Thor und Thyr besiegt. Der Häuptling will ihn dem Gott Odin opfern. Über die Rolle, die ihr spielt, sind sie sich noch nicht im Klaren. Ihr wurdet von Glymjandi dem Kleinwüchsigen beobachtet, wie ihr gemeinsam mit der Midgardschlange durch das Feuertor kamt. Nun fragen sie sich: Seid ihr Verbündete des Götterwolfes und der Schlange? Und sie wollen wissen, wo Jörmungandr abgeblieben ist.«
Als er geendet hatte, beobachtete er aufmerksam die Reaktion der Fremden. Es war ihnen anzusehen, wie befremdend die Informationen auf sie wirkten. »Das darf doch alles nicht wahr sein«, hörte er den Blonden mit seiner Gefährtin reden. »Wie können wir verhindern, dass sie Grao opfern? Und wie bekommen wir das Magtron zurück?«
Gauti spitzte die Ohren. »Grao« also hieß der Wolf und »Magtron« nannte sich das Gerät an Efsturs Brust.
Während sich die beiden Fremden berieten, wurde bei den Herrschersitzen Unmut laut. »Was dauert das so lange?«, murrte Hamskarpur. »Was hecken die beiden da aus?«
Der Götländer hob beschwichtigend den Arm. »Nur die Ruhe. Sie werden sich gleich erklären.« Dann wandte er sich an den Blonden. »Uns bleibt keine Zeit mehr. Geduld ist nicht gerade die Stärke meiner Freunde. Doch für eine gute Geschichte sind sie immer zu haben. Vertraut mir, ich bin auf eurer Seite. Als Beweis soll dir dienen, dass ich dir den Schlüssel gelassen habe, der an einer Kette um deinen Hals hängt. Niemand außer mir weiß, dass er zu dem Magtron gehört.«
Der Fremde blickte ihn skeptisch an und nickte dann. »Ich vertraue dir. Was schlägst du vor?«
»Erzählt mir, wer ihr wirklich seid und was ihr hier wollt. Und bleibt bei der Wahrheit. Im Gegenzug sorge ich für die gute Geschichte.«
Noch zögerte der Blonde. Erst als die Frau ihm zunickte und sagte: »Was haben wir schon zu verlieren?«, willigte er ein und erhob sich.
***
So geschah es, dass Matthew Drax seine Geschichte erzählte – eine stark vereinfachte Version, die Gauti begreifen konnte. Dass er und Xij Zeitreisende waren, die erst in ferner Zukunft geboren würden. Dass im Jahre des Herrn 2012 ein Berg aus dem Weltenraum die Erde bedrohte und sie ihm auf einem Stahlvogel entgegen geflogen wären. Dass sie beim Aufprall durch die Zeit geschleudert wurden und seither nach einer Waffe suchten, die den Berg zerstören konnte. Und dass das Magtron diese Waffe wäre, die einzige Hoffnung für die zukünftige Erde.
Dass er in dieser Zusammenfassung den Streiter, die Daa’muren und die Zeitportale im Flächenräumer aussparte, war keine böse Absicht – die Fülle an Informationen hätte auch den größten Gelehrten dieses Jahrhunderts hoffnungslos überfordert. Nur was Grao betraf, musste er ins Detail gehen:
»Unser Gefährte ist kein Wolf, nicht einmal ein Tier. Er ist ein Echsenmann aus der Zukunft, der seine Gestalt verändern kann. Zwar ist er schwer zu verletzen, aber doch sterblich. Wenn er weiter in der Kälte liegt, wird er erfrieren!«
Wie erwartet, waren Matts Schilderungen harter Tobak für den Götländer. Immer wieder geriet er vor Fassungslosigkeit und Unglauben ins Stocken während seiner Version, die er für die Wikinger erspann. In ihr behauptete er, dass der Elf Xij und der Held Matthew Drax aus der Zukunft kämen und die Götterdämmerung Ragnarök überlebt hätten. Odin selbst habe sie in die Vergangenheit geschickt, um Fenrir und Jörmungandr zu fangen und nach Asgard zu bringen, den Göttersitz. Für dieses Vorhaben gab er ihnen die Götterwaffe Magtron.
»Viele Monde lang haben sie nach den beiden gesucht. Im
Weitere Kostenlose Bücher