33 - Am Stillen Ozean
die Kante wieder hinab und kehrte nach Hause zurück. Im Garten traf ich den Kapitän mit Kong-ni.
„All devils, wo treibt Ihr euch denn herum? Seid wohl am Fluß gewesen?“
„Warum sollte ich nicht?“
„Well, so konntet Ihr mich mitnehmen! Ihr wißt ja, daß ich ohne Wasser nicht gut sein kann. Macht, daß wir fortkommen! Wir sind eingeladen, und ich bin schon längst bereit!“
Er hielt allerdings seinen Regenschirm bereits unter dem Arm.
„Willst du deinen Schen (Fächer) holen?“ fragte mich Kong-ni. „Die Palankins stehen bereits vor der Tür.“
„Gibt es keinen Diener, der ihn holen kann?“
„Ja. So komm! Der Vater ist bereits fort.“
In seinem Wesen lag etwas Fremdes, Gedrücktes. Was war mit ihm? Er war noch jung; er konnte es nicht verbergen. Beim letzten Gebüsch blieb er stehen, während Turnerstick weiterschritt.
„Du hast heute morgen im Garten mit einem Mann gesprochen?“
„Ja“, antwortete ich aufrichtig.
„Du hast nach einem Lung-keu-siang gefragt?“
„Ja.“
„Was ist dieser Lung-keu-siang?“
„Weißt du es nicht?“
„Nein.“
Sein Auge strafte ihn Lügen.
„Du mußt es wissen, denn du hast mir ja das Zeichen gegeben. Du mußt die Geheimnisse der Lung-yin kennen.“
„Ich kenne sie nicht; ich erhielt das Zeichen von einem Freund geradeso wie du von mir. Wer hat dir von dem Lung-keu-siang erzählt?“
„Wenn du die Geheimnisse der Lung-yin nicht kennst, so darf ich es nicht sagen; das würde ja sonst ein Verrat sein.“
Er schien von dieser Antwort sehr befriedigt zu sein.
Wir bestiegen die Tragsessel und gelangten durch die Stadt nach dem Landhaus, welches wir bei unserer Ankunft zuerst bemerkt hatten. Als wir dort ausstiegen, kam uns der Riese von gestern abend entgegen.
„Willkommen im Hause eures besten Freundes und Verehrers! Wollt ihr nicht eintreten?“ grüßte er.
„Wir kommen, dir, dem großen Kuan-kiun-ßü, unsere Achtung zu erweisen, und werden glücklich sein, die Schwelle deines Hauses betreten zu dürfen!“ antwortete ich.
„Gewährt mir die Gnade, euch leiten zu dürfen!“
„Erlaube mir, dir vorher zu sagen, daß dies mein Freund Turning-stik-king-kuang-fu ist!“
Der Kapitän merkte, daß ich ihn vorstellte. Er setzte mir die Spitze seines Regenschirmes auf die Brust und meinte, indem er mit den zwei Fingern der rechten Hand militärisch salutierte:
„Und ich werde vorstellang my olding Master Kung-ki-fung-ki-lung-ki-mung-ki!“
Der Si-fan verstand ihn nicht, und Kong-ni vermochte seine ernsthafte Miene zu bewahren. Wir wurden in das Empfangszimmer geleitet, wo der Phy zwischen einem jungen Mädchen und einem andern Gast saß.
Das Mädchen war hoch und schlank gewachsen und hatte, wenn man vom Nationaltypus absah, recht angenehme, aber traurig überhauchte Gesichtszüge und besaß unverkrüppelte Füße, was sie wohl dem Umstand zu verdanken hatte, daß sie die Tochter eines Mongolen war.
Der andere Gast war – unser Dschiahur. Doch tat er bei unserm Erscheinen nicht im mindesten, als ob er uns bereits einmal gesehen habe.
Alle drei erhoben sich, um uns zu begrüßen; dabei wurden die Namen genannt. Das Mädchen hieß Kiung, ein mongolisches Wort, welches ‚die Reiche‘ bedeutet und in demselben Sinne auch im Chinesischen gebraucht wird. Dem Dschiahur wurde der Name Laktoeul gegeben.
Kiung bediente uns selbst. Wir erhielten einen köstlichen schwarzen Tee vorgesetzt mit dünnen Stücken von Pan-tan (Hafermehlteig), aber nicht so einfach gebacken, wie es in der hohen Mongolei geschieht. Dann forderte uns der Si-fan auf, seinen Hof und Garten zu besehen.
Der Garten hatte bei weitem nicht die Größe dessen, welchen der Phy besaß, aber es war mit gutem Verständnis jedes Plätzchen benutzt, um nach chinesischen Begriffen ein Paradies zu schaffen. Der Hof war im Verhältnis zum Haus außerordentlich geräumig, was mich wunderte, da man in China nicht gern Haustiere hält; doch ich wurde bald aufgeklärt, denn der Si-fan öffnete eine Tür, welche in einen – Pferdestall führte, und damit war mein ganzes Interesse erregt.
Man hat in China die schlechtesten Pferde der Welt; ich war also neugierig, was der ‚Brigadier‘ uns zeigen werde. Es wurden von einem Stallknecht zwei Pferde herausgelassen, welche man bereits gesattelt hatte. Sie gehörten jener kleinen, langzottigen Mongolenrasse an, welche trotz ihrer Unansehnlichkeit eine außerordentliche Kraft und Ausdauer besitzt und daher hoch im Preis steht, in
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