33 - Am Stillen Ozean
einzunehmen.“
„Komme gleich!“
„Well! Werde also hier warten.“
Einige Minuten später traten wir in das Speisezimmer, wo wir Kong-ni und seinen Vater bereits anwesend fanden.
Es gab bloß Tee mit Kuamien (Teigstücke), was der Phy damit entschuldigte, daß er geladen sei und auch uns mitbringen solle.
„Zu wem?“ fragte ich.
„Zu einem mächtigen und einflußreichen Freund, einem Mandarinen mit dem ziselierten roten Korallenknopf. Er hat deine Ausarbeitungen mit geprüft, und du bist ihm Dank schuldig, denn meist durch ihn ist es mir möglich, dir jetzt bereits dies hier einzuhändigen.“
Ich ahnte, daß es das Dekret sei, von welchem beide gestern abend gesprochen hatten, und irrte mich nicht. Es enthielt wirklich meine Ernennung zum Tsin-sse.
„Ich danke dir und werde auch ihm zu danken wissen“, antwortete ich einfach. „Dieses mit dem kaiserlichen Siegel versehene Dokument hat also unbedingte Gültigkeit?“
„Durch das ganze Reich. Es bedarf nicht der Bestätigung, und daß wir deine Ausarbeitungen einsenden, geschieht nur der Form wegen.“
„Wie heißt der hohe Mandarin, zu dem ich mitkommen werde?“
„Er ist ein Kuan-kiun-ßü (General) und heißt Kin-tsu-fo.“
„Wann geht Ihr?“
„Sobald es dir beliebt.“
„Es ist noch lange nicht Mittag.“
„Ihm ist es zu jeder Zeit genehm. Sage, wann du gehen willst!“
„Eine Stunde vor Mittag, bis dahin habe ich zu tun.“
Damit war deutlich gesagt, daß ich auf ihre Gesellschaft jetzt verzichten wollte. Es war dies jedenfalls eine Unhöflichkeit, aber ich mußte ungestört sein, um mich einmal richtig umblicken zu können.
Im Garten, den ich allerdings ganz nach der gestern abend gelesenen Beschreibung fand, traf ich einen Arbeiter, mit welchem ich ein Gespräch anknüpfte. Während desselben fragte ich ihn auch, ob es hier in der Umgebung einen Ort gebe, welcher Lung-keu-siang genannt werde. Er schüttelte mit dem Kopf und verneinte, aber ich sah es ihm an, daß er mehr wußte, als er mir sagen wollte. Und als ich von ihm ging, sandte er mir einen Blick nach, welcher mir beinahe drohend erschien. Hatte ich vielleicht einen Fehler begangen, nach dem Ort zu fragen?
Im hinteren Teil des Gartens führte eine Pforte hinaus ins Freie. Ich trat hinaus und wanderte zwischen den grünen Pflanzungen den Bergen zu, welche ich bereits gestern bemerkt hatte. Wenn es hier eine Drachenschlucht gab, so konnte sie natürlich nur zwischen diesen Höhen liegen, welche sich ungefähr eine Viertelstunde von der Stadt erheben.
Sie stiegen scharf, steil und jäh empor und schienen nur schwer zugängig zu sein. An der Drachenschlucht hing vielleicht mein Schicksal; ich mußte sie finden. Eben begegnete mir ein Knabe, welcher eine Ziege am Bande führte. Ich sprach zu ihm:
„Sage mir, ob es hier eine Drachenschlucht gibt?“
Bei dem Anblick meiner äußeren Abzeichen warf er sich zur Erde.
„Verzeihe mir, Herr, ich kenne keine Drachenschlucht.“
„So kennst du wohl diese Berge nicht?“
„Ich kenne sie sehr wohl, denn ich bin mit meinen Ziegen den ganzen Tag da oben.“
Die Bezeichnung Drachenschlucht schien mir eine nur den Drachenmännern bekannte zu sein.
„So sage mir, ob es in den Bergen einen Ort, einen Felsen gibt, der wie ein Pavillon, ein Erker, aussieht!“
„Was ist ein Pavillon – ein Erker –, o Herr?“
„Ein Pavillon ist ein kleines, hübsches Gartenhaus, und ein Erker ist ein Vorsprung an einem Haus, der in der Höhe angebracht ist und Ähnlichkeit mit einem kleinen Turm hat.“
„Einen solchen Ort kenne ich, Herr. Willst du ihn sehen?“
„Ja. Wie weit ist es bis dahin?“
„Um ihn zu sehen, brauchst du nur fünf Minuten. Aber hinaufgelangen kannst du nicht.“
„So führe mich!“
Er band seine Ziege an einen Bambusstamm und führte mich.
„Kennst du den Phy-ming-tsu?“ fragte ich weiter.
„Ja.“
„Und auch den Kin-tsu-fo?“
„Ja. Es sind die beiden mächtigsten Leute in unserer Stadt.“
„Wohnen sie schon lange hier?“
„Schon der Vater des Phy-ming-tsu hat hier gewohnt; der Kin-tsu-fo aber ist erst vor einiger Zeit hergezogen und hat sich sein Haus gekauft.“
„Hast du schon mit ihnen gesprochen?“
„Nein. Das sind vornehme Männer, o Herr, die einen armen Knaben gar nicht sehen.“
„Oder bist du bekannt mit einem von ihren Dienern?“
„Nein. Ich habe sie gesehen und auch ihre Namen gehört, aber gesprochen hat noch keiner mit mir.“
„Aber mit deinem
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