33 - Am Stillen Ozean
mit kräftiger Stimme zu; dann schnellte ich mich auf seinen Rücken. Es wollte emporsteigen, aber ein scharfer Ruf genügte, es am Platz zu halten. Dann gehorchte es dem Druck meiner Schenkel und ging im langsamen Schritt, noch immer zitternd und schnaubend, im Hof umher.
Jetzt stieg ich ab und erklärte lachend:
„Das Mori-mori ist mein!“
„Du kennst diese Rasse?“ fragte der Besitzer erstaunt.
„Ich bin ein Reiter.“
„Ja, wahrlich, das sehe ich! Aber noch ist es nicht dein.“
„Warum?“
„Ich habe gesagt, daß es dein sein soll, aber wann es dein sein soll, das ist noch nicht bestimmt.“
„So bestimme es!“
„Der Phy wird mit dir darüber sprechen!“
Ich beruhigte mich dabei, denn ich wußte, daß das vortreffliche Pferd auf diese oder jene Weise mein Eigentum sein werde.
„Blitz und Knall, war das ein Theater!“ meinte der Kapitän. „Ihr habt Euch bei diesen Leuten ganz verteufelt in Respekt gesetzt; ich habe die Augen gesehen, die sie bei der Geschichte machten.“
„Das Pferd gehorcht mir, aber einen andern läßt es nicht auf.“
Ich nahm einen Zaum vom Pflock und legte ihn dem Tier über, indem ich es streichelte und ihm sanft zusprach; dann führte ich es in den Stall, band es an und gab ihm Hafer in die Krippe. Ich wußte nun, daß es mir gehorchen werde, und besichtigte zu gleicher Zeit die Schließvorrichtung der Stalltür. Sie war leicht zu öffnen, da sie nur aus einem Kreuzöhr mit Vorstecker bestand. Ebenso war es auch mit der Tür des andern Stalles und dem Hoftor, welches nach außen führte.
Jetzt wurde auch das Wohnhaus besichtigt, welches, nach chinesischen Begriffen, sehr praktisch erbaut und sehr vornehm eingerichtet war. Bei dieser Gelegenheit wußte man es dahin zu bringen, daß ich mit Kiung allein in einem Zimmer zurückblieb. Ich sah ihr an, daß sie von den Absichten ihres Vaters unterrichtet war.
„Du darfst frei umhergehen und mit Männern verkehren?“ fragte ich sie.
„Ja.“
„Auch in der Stadt?“
„Ja, denn ich bin keine Chinesin.“
„Du hast einen Bekannten, den du liebst?“
Sie schwieg.
„Sage es mir, damit du glücklich wirst.“
„Der Vater leidet es nicht!“
„Wer ist es?“
„Der Sohn unsers Pao-tsching.“
„Er wird dein Mann sein, denn ich werde euch nicht trennen. Hast du noch deine Mutter?“
Sofort füllten sich ihre Augen mit Tränen.
„Nein.“
„Wie lange ist sie tot?“
„Sie ist nicht tot; sie ist nur verschwunden. Sie war eine Kiao-yu geworden, und der Vater wollte das nicht leiden; darum ist sie entflohen.“
Gräßlich! Also sein eigenes Weib hatte dieser Unmensch in den Lung-keu-siang eingesperrt, um sie verhungern zu lassen. Das durfte ich dem armen Mädchen nicht sagen.
„Du wirst sie wiedersehen. Der Gott der Christen ist mächtig; er wird dir und ihr seine Hilfe senden.“
„Ich sah es an dir, wie stark und mächtig du bist, darum wird dein Gott auch mächtiger sein als Fo und Buddha. Wenn er mir die Mutter wiedergibt, so werde ich ihm dienen. Wirst du dem Vater sagen, daß du mich nicht zum Weibe willst?“
„Ja. Du weißt nicht, weshalb ich mit ihm nichts zu schaffen haben will, ich aber weiß es und er auch.“
„Ja, ich weiß es!“ klang es hinter mir.
Der Kiang-lu hatte gehorcht und stellte sich zwischen mich und das Mädchen.
„Du hast heute nach dem Lung-keu-siang gefragt?“
„Ja.“
„Warum?“
Ich blickte mich um, um rückenfrei zu sein, und antwortete:
„Weil ich gestern abend deine Unterredung mit dem Phy-ming-tsu belauscht habe.“
„Ah –! Verlasse mein Haus. Wir sind geschieden. Geh!“
„Geh du voran!“
„Fürchtest du dich? So folge mir!“
Er verließ das Zimmer und schritt vor mir der Treppe zu. Kein Mensch befand sich auf dem Gang, so daß ich sicher schien. Schon hatte ich die Treppe beinahe erreicht, so knarrte eine Tür hinter mir, zwei Arme legten sich um meinen Leib, zwei Hände krallten sich mir um die Kehle, und auch der Si-fan drehte sich um, mich zu erfassen. Ich machte eine konvulsivische Anstrengung, mich zu befreien – die Überrumpelung war zu schnell gekommen, ich verlor die Besinnung.
Als ich wieder zu mir kam, war es vollständig dunkel um mich. Arme und Beine waren mir festgeschnürt, und ein Knebel verschloß mir den Mund. Neben mir hörte ich ein röchelndes Atmen. Lag vielleicht der Kapitän da? Wahrscheinlich hatten sie auch ihn überrumpelt. Ich grunzte, der einzige Laut, den ich von mir geben konnte, und sofort
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