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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Tröstungen, um den Haß in Liebe, den Schmerz in Freude zu verwandeln und den Fluch, welchen der Besiegte auf den Lippen trägt, in Segen umzukehren.
    Es ist in dieser Beziehung viel über die Gesellschaftsinseln gesprochen und geschrieben worden. Als dieser Archipel entdeckt wurde, fand man in seinen Bewohnern ein kindlich naives und beinahe wunschloses Volk, dem eine reiche Natur alle zu einem zufriedenen und sorgenfreien Leben notwendigen Erfordernisse in verschwenderischer Weise verliehen hatte. Die Fremdlinge wurden mit freudiger Gastlichkeit aufgenommen, fast als Götter verehrt und erhielten alles, was ihr Herz begehrte. Sie brachten die Kunde davon in die Heimat, wo unter den Abenteurern der Wunsch nach gleichen Genüssen rege wurde. Es wurden Schiffe ausgerüstet; die Handelspolitik begann, ihre Pläne zu spinnen – die Tahiter erhielten für ihre Gastfreundlichkeit die Laster und Krankheiten des Abendlandes zugeschickt und haben mehr die schlechten als die guten Eigenschaften derer angenommen, welche sich Christen nannten, ohne es ihrer Herzensgesinnung nach zu sein. Dieser letztere Umstand ist außerordentlich beherzigenswert. Allerdings muß die betrübende Tatsache zugestanden werden, daß die Tugenden der Tahiter seit ihrer Bekanntschaft mit den Europäern schwer gelitten haben; aber das Christentum der Schuld daran zu zeihen, heißt eine der schwersten Sünden begehen. Es ist nicht richtig, die heilige Kirche mit denen zu identifizieren, welche sich Christen nennen; die Christenheit zählt ihre größten Feinde in ihrer eigenen Mitte, und es ist tief zu beklagen, daß die Mission neben ihrer eigentlichen Aufgabe noch die traurige Arbeit zu übernehmen hat, dem unmoralischen Erbe entgegenzuwirken, welches in den Spuren der bloßen Namenchristen zurückzubleiben pflegt. –
    Tahiti, die ‚Perle der Südsee‘, lag unter einem herrlichen, tiefblauen Himmel; die Sonne glühte auf die blitzenden Wogen des Meeres und die bewaldeten Spitzen des Orohenaberges nieder oder funkelte in den Bächen und schmalen Kaskaden, welche von den malerisch aufstrebenden Klippen herabsprangen; aber ihre Glut erreichte nicht die freundlichen Ansiedlungen, welche im Schatten der Palmen und zahllosen Fruchtbäume lagen und von der frischen Seebrise angenehme Kühlung zugefächelt erhielten.
    In dem linden, milden Luftzug rauschten die langen gefiederten Wedel der Kokospalmen und raschelten die breiten, vom Wind ausgerissenen Blätter der Bananen zur Erde nieder; die abgeblühten Blumen der Orangen, deren Zweige aber trotzdem schon mit goldgelben Früchten bedeckt waren, tropften, wonnige Düfte verbreitend, von dem sich wiegenden Geäst herab. Es war einer jener zauberisch schönen, wunderbaren Tage, wie sie in so reicher Pracht und Herrlichkeit nur in den Tropen zu finden sind.
    Und während das Land in all seiner paradiesischen Schönheit so jung und frisch, als sei es eben erst aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen, dalag, donnerte draußen an den Korallenriffen die Brandung ihr tiefes, nicht endendes und nicht wechselndes Lied. Die Zeiten, sind anders geworden und mit ihnen die Menschen; die unendliche, stets wechselnde und doch sich immer gleich bleibende See ist noch dieselbe und schleudert noch heute wie vor Jahrtausenden ihre bald kristallenen, bald dunkel drohenden und mit weißem Gischt gekrönten Wogenmassen gegen die scharfen Dämme. Die von blitzenden Reflexen durch- und überschossenen Fluten hoben und senkten sich, als blickten Tausende von Najaden hinüber, wo über dem Schaum der Wellen immergrüne, wehende Wipfel sich erheben, unter denen ein dem allmählichen Untergang geweihtes Völkchen die letzten Pulsschläge seines individuellen Lebens zu zählen vermag, ohne die Widerstandskraft zu besitzen, welche die Todeszuckungen der amerikanischen Rasse dem weißen Mann so furchtbar und gefährlich macht.
    Dort am Strand lag Papetee, die Hauptstadt Tahitis, und eine bunt bewegte Schar von Menschen wogte in weißen, roten, blauen, gestreiften, karierten oder geblümten langen Gewändern hin und her. Wie prachtvoll hatten sich die jungen, bildhübschen Mädchen das schwarze, lockige und seidenweiche Haar mit Blumen und dem künstlich geflochtenen, schneeweißen wehenden Bast des Arrowroot geschmückt; wie gewandt und stolz waren die Bewegungen der eingeborenen Stutzer, welche den bunten Parau oder die faltige Marra kokett um die Lenden geschlungen und darüber die Tebuta, das Schultertuch, malerisch über

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