33 - Am Stillen Ozean
aus!“ gebot der Kommissar.
„Dobro!“ erklang es ruhig. Der Mann sah nicht aus, als ob jemand ohne seinen Willen entkommen könne.
Wir stiegen die Treppe empor.
Da stand der Pope.
„Wo?“ fragte der Beamte.
Er zeigte lautlos nach einer Tür, welche halb offen war. Wir traten ein. Vor der andern Tür, welche in das Nebenzimmer führte, standen der Briefträger und der Holzhacker. Sie horchten scharf auf die Stimmen, welche da draußen ertönten. Da plötzlich riß der Briefträger einen Revolver hervor, stieß die Tür hastig auf und trat ein.
Der Holzhacker kam sofort hinter ihm, und wir drei folgten gleichfalls. Im Zimmer stand der frühere Schriftsetzer in der Livree des Hauses; etwas weiter vor ihm befand sich – die Baroneska. Die Vorhänge waren herabgelassen, so daß ein Halbdunkel herrschte, welches es ermöglichte, die raffinierten Toilettenkunststücke zu übersehen, mit Hilfe deren sich die Gesellschafterin in ihre Herrin umgewandelt hatte. In der Hand hielt sie bereits den kleinen Koffer. Auf einem Stuhl lag mehr, als er saß, der Juwelier; seine Kleidung war in Unordnung – Kragen und Halsbinde waren zerrissen. Er war gewürgt worden.
„Guten Morgen, meine Kinderchen!“ grüßte der Kommissar.
„Herr Kommissar!“ rief der Juwelier, indem er aufsprang. „Gott sei Dank, ich bin gerettet!“
„Ja, mein Väterchen, du hast jetzt nichts mehr zu befürchten. Weshalb bist du denn eigentlich hierhergekommen?“
„Dieser Mensch kam zu mir und brachte mir von seiner Herrin, der Baroneska von Semenoff, ein Billet, in welchem sie mich bat, sie mit meinen wertvollsten Diamanten zu besuchen; sie müsse für eine Verwandte einen Brautschmuck bestellen und sei durch Unwohlsein verhindert, zu mir zu kommen. Hier legte ich meine Steine vor und ward dabei überfallen.“
„Welchen Wert haben deine Steine?“
„Mehrere hunderttausend Rubel.“
„Das ist sehr schlimm für euch, meine Kinder!“ wandte er sich an die Überraschten. „Das wird euch viele Jahre Sibirien einbringen. Mein Sohn Mieloslaw, du bist ein sehr kluger Brodnik (Landstreicher) und hast alle Anlagen, auch ein Burlak (Räuber) zu werden. Gib uns deine Hände, daß wir sie drücken können.“
Er wurde gefesselt. Ebenso erging es seiner Gehilfin. Ich mochte der Szene nicht beiwohnen und ging auf mein Zimmer. Als ich beim Dinner erschien, sah die Baronin zwar bleich und angegriffen aus, hatte sich aber von dem erlittenen Schreck wieder erholt. Nach der Tafel ließ sich der Rittmeister melden. Er kam, um zu kondolieren und sprach in einer sehr wohl gesetzten Rede seine Verwunderung aus, wie sehr man sich selbst im scheinbar besten Menschen irren könne. Iwans Blut kochte; das war ihm anzusehen. Er erhob sich.
„Mein Herr, ich bin leider gezwungen, Ihnen eine Antwort zu geben. Ihre gestrige Zusammenkunft am Fluß wurde belauscht und ebenso das Rendezvous der heutigen Nacht. Wir wissen jedes Wort, welches gesprochen wurde. Gehen Sie!“
Der Rittmeister erbleichte; das hatte er nicht erwartet. Ohne ein Wort der Verteidigung schwankte er zur Tür hinaus.
Am Nachmittag kam die Kunde von einem Unglück, das ihm widerfahren sei. Er war ausgeritten; sein Pferd hatte vor einer Droschke gescheut und war mit ihm in die gerade hochflutige Moskwa gesprungen. Er war tot. Ob sein eigener Wille diesen Unfall herbeigeführt hatte? Vielleicht.
Der ‚Brodnik‘ wurde mit seiner Gehilfin auf Lebenszeit nach Sibirien verbannt. Ich dachte nicht, ihn jemals wieder zu sehen.
„Om, mani padme hum!“
Seit jener Arretur in Moskau waren Jahre vergangen. Mein stets nur für kurze Zeit schlummernder Wandertrieb hatte mich wieder einmal nach Amerika geführt, wo ich südwärts bis nach Valparaíso gekommen war, von wo aus ich mit dem Dreimaster ‚Poseidon‘, Kapitän Roberts, das stille Weltmeer durchpflügt hatte, um auf einem der Pomatu-Riffe Schiffbruch zu leiden. Was von da aus bis Canton und Li-ting, der Karpfenstadt, geschah, wissen meine lieben Leser. Es ist ihnen auch bekannt, wie ich mich dort mit Turnerstick rettete und daß ich mit ihm glücklich auf seinem ‚The Wind‘ wieder ankam.
Wir besuchten darauf in Macao das ‚tapfere Meisje‘, deren Herrschaft uns mit guten Gründen überzeugte, daß es für uns geraten sei, von einer Anzeige abzusehen. Der Konsul, an welchen wir uns dann wendeten, war ganz derselben Ansicht. Wir verzichteten also darauf, über Kong-ni, seine Verhältnisse und Absichten etwas Näheres zu erfahren, und
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