33 - Am Stillen Ozean
sich, uns vorzustellen.
‚Fräulein Wanda Smirnoff‘ nannte er sie, nachdem er ihr meinen Namen gesagt hatte. „Wir werden eine – aber Fräulein, was ist Ihnen?“ unterbrach er sich. „Sind Sie unwohl?“
„Nein. Pardon, meine Herren! Ein kleiner Schwindel, weiter nichts!“
Es war kein Schwindel, es war Schreck gewesen, der sie so fürchterlich erbleichen ließ, als sie mich erblickte. Die ‚stille, ernste, fromme‘ Gesellschafterin war Adele von Treskow, meine Sängerin und Kümmelblatt-Amazone.
Ich verriet durch keine Miene, daß ich sie erkannt hatte, und das Spiel begann. Daß sie eine wirklich gute Schauspielerin sei, sah ich an ihrem Dessin; heut aber gelang ihr nur selten ein vorzüglicher Stoß. Sie befand sich augenscheinlich in Aufregung und trat bereits nach der ersten Partie wieder zurück.
Später bekam ich drei Zimmer angewiesen und hatte mich kaum in denselben umgesehen, als es klopfte.
„Wojti!“
Ich hätte das deutsche Wort ‚Herein‘ gebrauchen können, denn nicht einer der Domestiken, sondern Wanda trat ein. Ich blieb stehen und blickte ihr ohne irgendeine einladende Bewegung kalt entgegen.
„Mein Herr …“
Sie stockte; da ich aber nicht antwortete, fuhr sie fort:
„Wir haben einander bereits einmal gesehen …“
„Weiter!“
„Meine jetzige Stellung hat mich veranlaßt, meinen damaligen deutschen Namen in das Russische zu übertragen, und …“
„Heißt Adele Treskow auf russisch Wanda Smirnoff? Die Übersetzung scheint mir etwas mehr als frei zu sein! Auch Ihr Haar hat eine Übertragung in das Russische erlitten, wie ich vermute, denn es hat eine ganz andere Farbe erhalten.“
Sie schlug die Augen nieder, beantwortete meine Rede nicht und meinte in sehr demütigem Ton:
„Ich gestatte mir, Sie aufzusuchen, um Sie zu fragen, ob Sie unserer ersten Begegnung Erwähnung tun werden.“
„Ich sehe mich nicht in der Lage, diese Frage schon jetzt entscheiden zu können; denn ich kenne die Umstände nicht, welche maßgebend sein werden. Adieu!“
Es war, als wolle sie noch ein Wort sagen, aber in diesem Augenblick trat Iwan ein.
Er war sichtlich über die Anwesenheit der Gesellschafterin verwundert. Sie erglühte in Verlegenheit und entfernte sich. Als Mann von Bildung ignorierte er den Vorfall und gedachte auch im Verlauf der Unterhaltung desselben mit keinem Wort. Später führte er mich in den Garten.
Dieser Gang war mir sehr erwünscht, da er mir Gelegenheit gab, mich zu orientieren, ob der Rittmeister heute bei der Bestimmung des Stelldichein diesen oder einen anderen Garten gemeint habe. Er lag hinter dem Haus, nahm eine nicht ganz unbedeutende Grundfläche ein und wurde von einer Mauer umschlossen, in welcher ich allerdings ein kleines Pförtchen bemerkte.
Unweit dieses Pförtchens befand sich ein Eichengebüsch, die einzigen Eichen, welche im Garten standen. Das Gebüsch bildete einen kleinen Halbzirkel, innerhalb dessen eine Ruhebank stand. Es leuchtete mir ein, daß dieser Ort gemeint sei, und ich beschloß, heute nacht, um ein Uhr hier zu sein.
In einer entlegenen Ecke des Gartens stand eine Laube, in welcher ich den Rittmeister erblickte.
„Wollen Sie mich Ihrem Cousin vorstellen?“ fragte ich Iwan.
„Wünschen Sie es?“
„Weder ja noch nein; ich richte mich nach Ihrem Wunsch.“
„Dann vermeiden wir ihn jetzt.“
Es lag mehr als Feindseligkeit, es lag Verachtung in dem Blick, mit welchem er diese Worte begleitete. Auf dem Rückweg aus dem Garten begegnete uns die Gesellschafterin, welcher es augenscheinlich nicht lieb war, daß wir sie hier trafen.
„Das ist das einzige, was ich an ihr auszusetzen habe“, meinte Iwan.
„Was?“
„Daß sie in dieser Weise mit ihm sympathisiert. Sie musiziert mit ihm, liest mit ihm, promeniert mit ihm im Garten, obgleich sie sehr genau weiß, daß weder ich noch die Mutter es wünschen. Übrigens haben wir es nachträglich erfahren, daß wir diese Gesellschafterin nur seiner Empfehlung verdanken, die er uns durch die dritte Person vermitteln ließ. Es kommt mir vor, als hätten sie sich bereits früher gekannt.“
„Haben Sie ihr zu wissen getan, daß Sie eine solche Sympathie nicht für wünschenswert halten?“
„Direkt natürlich nicht. Doch kommen Sie; man wird mit dem Souper bereits auf uns warten, und dann gehen wir ins Theater.“
„Würden Sie mich für heute vielleicht dispensieren? Ich habe Briefe zu schreiben und allerlei kleine Beschäftigungen vorzunehmen, die ich nicht gern
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