33 - Am Stillen Ozean
beiden frommen und sehr weisen Lamas. Ihr Diener, den sie bei sich hatten, hieß Sandadschiemba.“
Der Lama machte eine Bewegung der Freude.
„Wahrhaftig, du kennst sie, denn so hieß ihr Begleiter. Bist du auch ein Framba?“
„Nein; ich bin ein Germa; aber unser Reich liegt neben dem Land der Framba, und wir haben ganz denselben Glauben wie sie.“
„Dann mußt du mir von dem mächtigen Sohn des Himmelsherrn erzählen, von seiner Mutter, welche Ma-ri heißt und im Himmel für uns bittet, von Pe-tre und Jo-an, die er lieb gehabt hat, und von La-sa-ra, den er vom Tode erweckte! Was ist das Ziel deiner Reise?“
„Ich will hinauf nach dem Khin-gan und der Wüste.“
„Auf welchem Weg?“
„Ich kenne keinen. Ich werde mir hier ein Pferd kaufen und einen Führer nehmen.“
Ich hatte nämlich das aus Li-ting entführte Mori-mori-Pferd, welches ich mit Recht als gute Beute betrachtete, schon im nächsten Hafen verkauft, weil der Transport desselben per Schiff zu schwierig war. Turnerstick hatte ganz dasselbe auch mit demjenigen getan, auf welchem er mit mir entflohen war.
Er schlug vor Freude die Hände zusammen.
„Das wirst du nicht tun, denn du wirst auf einem Pferd dieses Mannes reiten und mit uns reisen. Du mußt nämlich wissen, daß ich ein Schabi (Schüler) des ‚großen Heiligen‘ von Kuren bin, wo über dreißigtausend Lamas wohnen. Ich bin durch die große Wüste gereist, um das heilige Mukden zu besuchen, und kehre nun zurück. Ich werde nach dem Bokte-oola gehen, wo ein großer Heiliger in einer Höhle wohnt. Das ist ganz nahe an dem Gebirge, über welches du gelangen willst.“
„Wie heißt dieser Heilige?“
„Er hat keinen Namen; aber er ist berühmt, diesseits und jenseits der Berge, denn er sendet seine Boten aus, welche für ihn sammeln, weil er ein Kloster für zehntausend Lamas bauen will und ihnen Schriften offenbaren, welche Buddha ihm des Nachts verkündet. Auch er kam aus dem Westen, wo die Lehren schöner, weiser und reiner sind als im Osten. Reitest du mit uns?“
„Ja, wenn du mir eines deiner Pferde verkaufst“, wandte ich mich an den Mongolen.
„Du bist ein großer Lama“, antwortete dieser. „Ich werde es dir nicht verkaufen, sondern ich schenke es dir, so lange du es brauchst.“
Eine so günstige Gelegenheit bot sich mir jedenfalls nicht gleich wieder, und ich griff daher schleunigst zu. Besonders interessierte es mich, daß der Lama mit den beiden Missionaren Huc und Gabet zusammengetroffen war und die von diesen überkommenen christlichen Anschauungen so fest im Herzen bewahrt hatte.
„Wie heißest du?“ fragte ich ihn.
„Nenne mich Schangü.“
„Und du?“ fragte ich den Mongolen.
„Ich heiße eigentlich ganz anders, aber man nennt mich Bara (Tiger).“
„So mußt du sehr stark und mutig sein.“
„Ich habe sehr viel mit den Kolo und mit wilden Tieren gekämpft und bin nie geflohen“, antwortete er stolz. „Wie sollen wir dich nennen?“
Ich nannte ihnen meinen Namen. Der Lama sann ein wenig nach. Dann meinte er:
„Das ist ein fremder Name, bei dem man sich nichts zu denken vermag. Erlaube, daß wir dich Baturu heißen!“
„Warum gibst du mir gerade diesen Namen?“
„Hast du nicht so viele Waffen bei dir? Mußt du da nicht tapfer sein?“
Das war allerdings ein echt mongolischer Schluß. Die Lamas sind gelehrt, weil jeder von ihnen einige Bücher abgeschrieben hat, und ich mußte tapfer sein, weil ich einige Waffen bei mir trug.
Ich versah mich in dem Ort noch mit einigem, was mir fehlte, besonders mit Khatas und Ziegeltee, der als Zahlmittel gebraucht wird, las mir dann eines der Pferde aus und war nun zum Aufbruch bereit.
Die Khata oder das Glückstuch spielt im gesellschaftlichen Verkehr der Mongolen und Tibetaner eine sehr wichtige Rolle. Sie ist dreimal so lang als breit, hat eine bläulich angehauchte weiße Farbe, ist an den Enden gewöhnlich gefranst und besteht entweder aus Seide oder wenigstens aus einem seideähnlichen Gewebe. Man hat – je nach den Mitteln – große oder kleine, teure oder billige Khatas, und jedermann muß solche bei sich tragen, da sie bei jeder Gelegenheit gebraucht werden. Macht man einen Besuch, spricht man eine Bitte aus, will man sich für etwas bedanken, feiert man ein Wiedersehen, will man seine Freude oder sein Beileid ausdrücken, in allen diesen und noch andern Fällen faltet man eine Khata auseinander und bietet sie dem Betreffenden an. Dieser ist natürlich gehalten, die
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