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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verzögern möchte.“
    „Ganz wie Sie wollen. Mama wünscht, daß Ihre Gefangenschaft keinerlei Einfluß auf Ihre Selbständigkeit äußert.“
    Ich hatte wirklich Briefe zu schreiben, welches meine Zeit bis Mitternacht in Anspruch nahm; dann begab ich mich leise in den Garten, was mir nicht schwer wurde, da man mich in den Besitz eines Hauptschlüssels gesetzt hatte, mit welchem ich die Türen zu öffnen vermochte.
    Es war eine sehr dunkle Nacht. Im Kalender stand Neumond, und der Himmel war von dichten Wolken verhüllt, so daß man kaum zwei Schritte weit zu sehen vermochte. Ich schlich mich sehr vorsichtig bis an die Eichen und fand die Bank noch unbesetzt. Dies machte es mir leicht, mich unmittelbar hinter derselben in die Büsche zu verstecken.
    Es mochte drei Viertel nach zwölf Uhr sein, als ich leichte Schritte vernahm. Sie schienen von einem weiblichen Fuß zu stammen, und wirklich erkannte ich in der Nahenden die Gesellschafterin, welche auf der Bank Platz nahm.
    Kaum eine Minute später knarrte das Pförtchen leise, und es erschien eine männliche Gestalt. Es war derselbe Mensch, den ich mit dem Rittmeister belauscht hatte. Seit ich diese Wanda erkannt hatte, wußte ich auch, wer er war, obgleich er sein Äußeres verstellt hatte. Es war der frühere angebliche Assessor.
    „Wanda?“ fragte er leise.
    „Ja.“
    „Wo ist der Rittmeister?“
    „Er wird noch kommen.“
    „Hast du heute bereits mit ihm gesprochen?“
    „Ja; ich weiß alles.“
    „Und bist du einverstanden?“
    „Mit deiner Erlaubnis, ja. Kannst du gut in die Stadt?“
    „Besser als aus dem Gefängnis. Wie viel zahlt er dir für das ausbedungene Jahr?“
    „So viel wie dir: tausend Rubel. Doch es wird kein Jahr werden. Er steht im Begriff, bereits morgen einen Streich auszuführen, welcher ihm und auch uns so viel einbringt, daß wir uns zur Ruhe setzen können.“
    „Ah, was ist es?“
    „Ein Diamantengeschäft.“
    „Mit wem?“
    „Laß dich von ihm selbst unterrichten. Es ist nämlich ein Umstand eingetreten, welcher mich bestimmt, Moskau und Rußland schleunigst zu verlassen, natürlich, nachdem ich vorher für die nötigen Reisemittel gesorgt habe.“
    „Mir lieb, denn auch meines Bleibens kann hier nicht lange sein. Welcher Umstand ist es?“
    „Ich bin erkannt worden. Erinnerst du dich jenes Kümmelblattes in Westfalen, bei welchem uns der Vogel mit unsern eignen Federn entschlüpfte?“
    „Ja. Es war ein Schreiber, ein Schriftsteller oder etwas Derartiges.“
    „Nun, dieser Mensch ist heute als Bekannter des jungen Herrn hier eingetroffen, hat mich gesehen und wird mich verraten.“
    „Dann entweder weg mit ihm oder fort mit uns!“
    „Ich ziehe das letztere vor, und der Rittmeister ist einverstanden. Er wird uns trotzdem die tausend Rubel zahlen und jedem noch dreitausend dazu, wenn wir ihm morgen bei der Ausführung seines Planes helfen.“
    Sie konnte nicht weiter sprechen, denn wieder waren Schritte zu hören. Der Rittmeister kam.
    „Eingetroffen?“ fragte er, als er das Paar erblickte. „Gut. Kommt mit zur Laube!“
    Sie entfernten sich. Was sollte ich tun? Ihnen folgen? Das konnte mich sehr leicht verraten. Der Pseudo-Assessor verließ den Garten jedenfalls durch das Pförtchen, dabei waren vielleicht noch einige Worte zu erlauschen. Ich trat daher hinzu und lehnte mich hinter einen nahen Holunderstrauch.
    Es war nahe zwei Uhr, als der Erwartete endlich kam; Wanda begleitete ihn.
    „Also vor allen Dingen pünktlich!“ mahnte sie. „Um neun Uhr wird der Herr mit seinem Gast zur Parade gehen; das machten sie heut beim Billard aus. Das ist also die günstige Zeit. Die Baronin befindet sich zu derselben Zeit in der Kirche, und ich habe in ihrem Auftrag Kranken- und Armenbesuche zu machen. Ich kehre durch diese Pforte unbemerkt zurück und treffe dich auf der Seitentreppe, auf welcher wir in die Zimmer der Gnädigen gelangen. Der Rittmeister beschäftigt die Dienerschaft, bis wir mit dem Juwelier fertig sind.“
    „Der Streich ist fein erdacht und beinahe ungefährlich. Aber wäre es nicht besser für uns, sofort zu verschwinden?“
    „Das geht nicht, da uns der Rittmeister erst bezahlen kann, wenn er die Diamanten versilbert hat. Gute Nacht!“
    Sie nahmen Abschied und entfernten sich: er durch die Pforte und sie nach dem Haus zu.
    Ich wartete noch längere Zeit, ehe ich ihr folgte, gelangte aber unbemerkt wieder in meine Zimmer. Das Gehörte war so wertvoll und aufregend für mich, daß ich während der

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