33 - Am Stillen Ozean
gibt und die Strömung reißend ist, bloß beidreht, statt die Anker zu werfen. Ein solches Manöver darf man eigentlich bloß einem Yankee zutrauen, dem es nicht darauf ankommt, ob das Fahrzeug vor einer Bö kentert oder durch die Strömung wrack gemacht wird. Nimm die Sachen aus dem Kanu und mache, daß wir aus dem Hafen kommen. Wir gehen grad nach Westen.“
„Nach West! Warum?“ fragte Tom erstaunt.
„Darum“, antwortete Raffley kurz. Er konnte es nicht leiden, wenn seine Absichten nicht verstanden wurden.
Unsere in den Kanu befindlichen Sachen wurden an Bord gebracht, und die beiden Ruderer ruderten, nachdem sie ihre Bezahlung in Empfang genommen hatten, der Stadt wieder zu. Dann dauerte es nicht lange, so knarrte die Ankerwinde, die Schraube bohrte sich in die widerstrebende Flut und das kleine, schmucke Fahrzeug strebte zwischen den im Hafen liegenden Schiffen in graziösen Windungen dem Ausgang zu. Wir stachen in See.
Als wir das offene Meer erreicht hatten, trat Raffley zu mir.
„Wißt Ihr, Charley, warum ich nach Westen halten lasse?“
„Ich denke es.“
„Nun?“
„Ihr wollt den Kurs des Chinesen schneiden, welcher sicher von Nord nach Süd wenden wird.“
„So seid Ihr auch meiner Ansicht?“
„Vollständig. Erst wollte ich zweifeln; nach allem aber, was wir bisher gehört und beobachtet haben, halte auch ich den Chinese für einen Piraten. Daß wir ihm folgen, versteht sich von selbst, aber ob wir dies allein tun sollen oder uns nach Hilfe umsehen, muß wohl erst noch beantwortet werden.“
„Fürchtet Ihr Euch, Charley?“
„Pshaw!“
„Nun also! Wir nehmen die Dschunke für uns allein. Gehen wir sechzig Knoten nach West, ohne sie gesehen zu haben, so ist sie bereits vorüber, nach meiner Rechnung. Dann sind wir gezwungen, nach Süd umzulegen.“
„Selbst in diesem Fall hat sie einen Vorsprung von vielleicht fünf Stunden, welche, da sie mit dem Wind segelt, nur schwer einzuholen sind.“
„Glaubt Ihr wirklich, daß ich mich dadurch irre machen lasse? Der Haiang-dze darf nicht nahe am Land segeln, und über seinen Kurs herrscht nicht der mindeste Zweifel.“
„Er wird die Insel nach Osten umsegeln –“
„Und zwar im Süden, da er im Norden wegen des Nord-Ost-Monsuns nicht gut durch die Palksstraße gelangen kann.“
„Und dann Kurs grad auf Ost nehmen“, fuhr ich in meiner Expektoration fort.
„Grad auf Ost? Das glaube ich nicht. Er wird nach Nordost halten, in welcher Richtung sich jedenfalls sein Schlupfwinkel befindet.“
„Ihr vergeßt den Passat, Sir, welcher ihm dann grad in die Zähne streichen würde. Er wird nach Ost gehen und dann einen rechten Winkel nach Nord herumschlagen.“
„Very well, Charley, ich sehe, daß Ihr auch zur See nicht ganz unbeholfen seid.“
„Denkt Ihr? So geht mein Rat dahin, nicht weiter nach West zu gehen, sondern ihm seinen Vorsprung dadurch abzugewinnen, daß wir in gerader Linie auf Point de Galle, welches er im weiten Bogen umfahren muß, schneiden, hart an der Küste Kap Thunder-Head, Tangalle und Hambantotte umsegeln und dann auf dem achtzigsten Längengrad kreuzen, um ihn zu erwarten.“
„Good lack, seid Ihr ein scharfsinniger Kopf, Charley! Ich beginne zu begreifen, daß Ihr recht gute Anlagen zu einem Marineoffizier besitzt. Ihr habt vollständig recht, und ich werde Euern Rat auch befolgen. Kommt!“
Wir schritten zum Hinterdeck, wo Tom im Häuschen am Rad stand.
„Leg um nach Ost-Süd-Ost, Tom!“
„Well, Sir; aber das hieße ja, Point de Galle anzurennen!“
„Nicht anrennen, sondern nur hart vorüberstreichen wollen wir. Wie steht es mit der ‚langen Harriet‘, Tom?“
„Wie soll es stehen, Sir?“ antwortete der Gefragte. „Blank geputzt ist sie, das seht Ihr ja selbst“, meinte er, auf den schimmernden Lauf der Drehkanone deutend, welche auf dem Mitteldeck der Jacht angebracht war; „aber was nützt der Staat, der Putz und Plunder wenn die rechte Arbeit fehlt? Wenn nicht bald eine Gelegenheit kommt, eine Kugel auf den Wogen tanzen zu lassen, so verwende ich für keinen Penny Hammerschlag mehr auf die Harriet; sie mag verrosten!“
„Dir kann geholfen werden, meine Junge! Lade sie einmal, aber blind einstweilen!“
„Wirklich, Sir?“
„Wirklich!“ nickte Raffley.
Der Steuermann fixierte das Rad und eilte zu seiner Kanone. Es war wirklich eine Lust, die Andacht und Hingebung zu beobachten, mit welcher er sie gleich einer Braut bediente, deren Lächeln beglückt.
„Erwartet Ihr
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