33 - Am Stillen Ozean
erforderlich war. Leider aber verging der Nachmittag, ohne daß wir nur einen Segelfetzen von der Dschunke zu sehen bekamen. Auch die Dämmerung brach ein, und nun mußte Raffley doch erkennen, daß ich recht gehabt hatte.
„Charley, ich glaube, der Kerl ist uns entgangen!“
„Ich glaube es nicht.“
„Ihr denkt, er ist noch hinter uns?“
„Nein, er ist sicher bereits längst vor uns.“
„Wie –wo – waa – as?“ fragte er erstaunt, indem der Klemmer einen Sprung von der Wurzel der Nase bis auf deren Spitze machte. „Das ist ja eben meine Meinung; er ist längst vor uns und uns also entgangen.“
„Er ist längst vor uns, weil wir ihn durchließen, aber er wird an die Küste zurückkehren, sobald es dunkel geworden ist.“
„Woraus schließt Ihr dies?“
„Der Kurs nach den Baniacksinseln hätte den Chinesen viel weiter im Süden mit dem Franzosen zusammengeführt; daß der Pirat sich weiter nördlich hielt, ist ein sicherer Beweis, daß er ein anderes Ziel hat. Ist dies wirklich eine Insel im Osten, so will er sie auf der Route, welche ich Euch bereits erklärte, nicht erreichen, da er uns sonst begegnet wäre; folglich hat er die Absicht, längs der Küste des bengalischen Meeres hinzugehen, wo der Monsun nicht so kraftvoll pfeift wie draußen auf der See. Er ist einfach zwischen uns und der Küste hindurchgeschlüpft und ostwärts gesegelt, wird aber umkehren und dann im Schutze des Landes und der Nacht nach Norden gehen, wenn es ihm nicht etwa einfällt, eine kurze Landung zu bewerkstelligen, um noch einiges mitgehen zu heißen.“
„Charley, es ist möglich, daß Ihr das Richtige trefft. Aber was wollen wir tun?“
„Längs der Küste streichen bis hinauf nach Kap Palmyra; auf dem Rückweg werden wir dann den Chinesen treffen.“
„Denkt Ihr wirklich?“
„Ich meine es.“
„So habe ich heute doch wohl einen Fehler begangen und werde ihn dadurch wieder gut machen, daß ich Euch folge.“
Jetzt gingen wir nach Norden, und da nun ein Ereignis nicht zu erwarten war, so suchten wir die Kajüte auf, um einige Stunden zu ruhen. Mitternacht war bereits vorüber, als wir geweckt wurden. Der Steuermann stand vor uns.
„Wir befinden uns auf der Höhe von Palmyra, Sir“, meldete er.
„Welche Länge?“
„Einundachtzig; ich hielt etwas mehr Ost bei Nord, weil uns das rückwärts zugute kommt.“
„Ist richtig. Wende! Ich komme gleich hinauf.“
Als wir das Deck erreichten, standen die Leute an den Brassen; das Schiff beschrieb einen Bogen von Nord über Ost und legte dann auf Südwest ein. Jetzt drängte sich der Passat straff in die Leinen; die Maschine arbeitete mit voller Kraft, und wir flogen vor dem Wind dahin, daß der Schaum vorn am Bug empor und auf das Deck hereinspritzte.
Noch immer saß Kaladi auf dem Mast; die Sehnsucht nach der Verlorenen ließ ihn nicht ermüden, und nur für einen kurzen Augenblick war er unten gewesen, um sich das Nachtrohr des Steuermannes zu holen.
Raffley hatte auf dem Hinterdeck zwei Hängematten befestigen lassen. Da saßen wir und blickten in die milde Nacht hinaus. Eine Nacht wie diese war bei dem jetzt wehenden Monsun, welcher stets gewaltige Regengüsse mit sich bringt, eine große Seltenheit; daher genossen wir sie mit innigem Behagen und hatten dazu nur den einen Wunsch, daß wir den Chinese bemerken möchten.
„Charley!“
„Sir John!“
„Wollen wir wetten?“
„Hm! Worüber?“
„Daß meine Chair-and-umbrella-pipe verloren ist. Dieser heillose Schurke ist uns total auf und davon gegangen.“
„Ich wette nicht, obgleich ich meine, daß ich diese Wette gewinnen würde.“
„So habt Ihr also noch immer Hoffnung?“
„Noch immer. Wir erreichen jetzt die Höhe von Batticaloa. Bis jetzt haben wir gar nicht erwarten können, den Piraten zu treffen; er wird sich hüten, sich in die belebten Gewässer zwischen hier und Trinkomali zu wagen. Wartet nur noch eine halbe Stunde, dann durchschneiden wir stillere Fluten!“
„Charley, wenn Ihr Recht habt, so will ich Euch für einen ganzen Mann halten, trotzdem Ihr niemals zu einer Wette zu bringen seid. Es liegt mir ganz außerordentlich viel daran, meine Umbrella-pipe wieder zu bekommen; ich kann mich ohne sie ja gar nicht in Altengland sehen lassen!“
„Ich denke, daß Ihr sie in einigen Stunden wieder haben werdet.“
„Well! Aber diese Molama soll, wenn ich sie vornehme, an den Schirm denken, so lange diese fatale Insel unter ihren Füßen ist!“ zankte er ingrimmig
Weitere Kostenlose Bücher