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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein Witzbold befunden, welcher die andern fürchten macht.“
    „Zwei Abende hintereinander?“
    „Ja.“
    „Es ist keiner zweimal auf Wache gewesen.“
    „So sind zwei Witzlinge da!“
    „Schwerlich! Diese Singhalesen haben einen Heidenrespekt vor ihren Vorgesetzten und sind außerdem von Natur nicht zu solchen Schusterjungenstreichen angelegt.
    Das Gespenst ist kein Witz, und darum werden auch wir Ernst mit ihm machen.“
    „Sagen wir dem Mudellier davon?“
    „Ja. Ohne seine Erlaubnis dürfen wir nicht auf die Dschunke.“
    „Pshaw! Wenn es mir gefällt, gehe ich auch ohne sie an Bord! Doch wie Ihr wollt, Charley. Nehmen wir Waffen mit?“
    „Ist nicht der Rede wert.“
    „Höchstens einen tüchtigen Prügel?“
    „Mit den Fäusten hat man's bequemer.“
    „Well! Der Kerl kann sich gratulieren, wenn er zwischen die meinigen kommt; wenn er es da nicht fertigbringt, sofort zu verschwinden, bearbeite ich ihn so lange, bis er nicht den Geist, sondern als Geist den Körper aufgibt!“
    Als wir dem Mudellier gelegentlich unsere Absicht meldeten, war er hinsichtlich seiner zwar ganz einverstanden mit derselben, hielt es aber doch für seine Pflicht, uns vor dieser Verwegenheit zu warnen. Er war überzeugt, daß es sich um ein überirdisches Wesen handle.
    „Es wurde mir vorhin gemeldet“, sagte er, „daß die Mannschaften, welche für heut abend auf die Dschunke bestimmt sind, sich weigern wollten, sie zu betreten. Wenn sie hören, daß Ihr auch hinkommt, werden sie leichter gehorchen. Aber hütet Euch, den Geist anzurufen oder ihn anzufassen! Begnügt Euch lieber damit, zu sehen, woher er kommt und wohin er geht.“
    „Dann fliegen wir ihm nach!“ sagte Raffley ironisch.
    „Spottet nicht, Mylord! Es gibt gute Geister und böse Geister, dieser scheint ein böser zu sein, weil er sich eines so schlimmen Fahrzeugs bemächtigt hat.“
    „Dann sind wir beide hier ebenso böse Geister, weil wir die Dschunke erobert haben. Wollen sehen, wer sie nächste Mitternacht räumen wird, er oder wir.“
    Es war abends elf Uhr, als wir an Bord stiegen. Wir hatten keine Waffen mitnehmen wollen, aber doch die Revolver zu uns gesteckt, weniger des Gespenstes wegen, als weil man dort gewohnt ist, nie unbewaffnet auszugehen. Die Soldaten saßen auf dem Hinterdeck eng zusammen wie die Schafe, die sich vor dem Angriff des Raubtieres fürchten, der Lieutenant in ihrer Mitte; so war er sicher, von dem Geist wenigstens nicht zuallererst aufgefressen zu werden. Ich fragte ihn, ob er etwas Ungewöhnliches zu melden habe, und bekam eine verneinende Antwort. Schon zuckten mir die Lippen, den Leuten ihre Angst vorzuwerfen, doch drängte ich die Worte zurück; was konnten mir diese Feiglinge nützen?
    Nun fragte es sich, wo wir uns postieren sollten. Raffley war noch immer der Ansicht, daß der Spuk von außen, also von der Ankerkette heraufkomme, und setzte sich dort nieder. Ich hingegen wollte meine Aufmerksamkeit auf die drei Punkte zugleich richten, nämlich auf die Vor- und die Hinterluke und auf den Mittelmast, bis zu dem das Gespenst gestern gekommen war. Meiner Ansicht nach mußte der Geist aus einer der beiden Luken erscheinen; leider konnte ich nicht wissen, aus welcher. Darum kauerte ich mich mittschiffs an der Reling nieder, wo ich nach beiden Luken zugleich sehen konnte, wenn sie auch nicht so deutlich zu erkennen waren, wie ich gewünscht hätte.
    Die Nacht war ziemlich hell. Zwar schien der Mond nicht, und am Himmel standen Wolken; zwischen diesen aber leuchtete hier und da ein Stern hindurch, so daß man von einem Ende des Schiffes aus das andere noch mit dem Blick erreichen konnte. Die Luft ‚stand‘, wie der Seemann sich auszudrücken pflegt; es war kein Hauch zu spüren; folglich mußte der Gespensterwind, wenn er plötzlich zu wehen begann, um so besser und leichter bemerkt werden. Ich freute mich darauf, und wenn ich eine Sorge hatte, so war es nur die, daß es dem Gespenst heut in den Sinn kommen könne, nicht zu erscheinen.
    Da schlug es, ich weiß nicht, ob auf der holländischen oder wesleyanischen Kirche, zwölf – die Geisterstunde war da, und ich lauschte angestrengter als bisher. Fünf Minuten vergingen, noch fünf! Sollte er doch nicht kommen wollen? Geister pflegen alles zu wissen, und so konnte der unselige nicht darüber im Zweifel sein, was ihn heut erwartete. Wer läßt sich gern erwischen – selbst Gespenster nicht!
    Jetzt endlich, jetzt gab es an der Vorluke ein Geräusch, einen Knall. Ich

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