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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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blickte scharf hin und sah die Gestalt, welche sich dort aufrichtete. Mit raschen, weiten Sätzen sprang ich hin, warf mich auf den Kerl, riß ihn nieder und hielt ihn fest. Das war so schnell geschehen, daß ich gar nicht Zeit gefunden hatte, den Geist genau zu betrachten.
    „Da hab ich dich; du bist zum letztenmal hier erschienen!“ zürnte ich ihn an, indem ich ihm die Arme fest zusammenpreßte und das Knie auf den Rücken setzte, mit dem er nach oben lag. „Wo bleibt der Wind, mit dem du stets zu kommen pflegst?“
    Da stöhnte das überirdische Wesen unter mir in sehr irdischem Ton:
    „Heigh-ho! Seid Ihr des Teufels, Charley? Gebt mir Luft, sonst ersticke ich!“
    Alle Wetter, das war ja mein Englishman! Ich ließ ihn los und sah ihn nun erst an. Ja, er war es wirklich! Er stand auf, holte tief, tief Atem und stieß dann hervor:
    „Wo habt Ihr denn Eure Augen, daß Ihr Sir John Raffley für ein Gespenst haltet!“
    „Ich hielt Euch wirklich für den Spuk, und da mußte es so schnell gehen, daß ich mich nicht erst lange herstellen konnte, um Euch mit Hilfe eines Hydrooxygengas-Mikroskops zu betrachten. Ich wußte Euch doch am Buganker. Was hattet Ihr denn hier zu suchen?“
    „Es kam mir doch ein Zweifel, ob mein Platz dort der richtige sei. Da ging ich her, um einmal hier hinabzulauschen; dabei stützte ich mich auf den angelehnten Deckel und warf ihn um. Einige Augenblicke später lag ich grad so da wie der Deckel, und mein Rückgrat krachte unter Euerm Knie wie ein Holzast, der zerbrochen werden soll. Liebster Charley, der Teufel mag Euch holen! Ihr habt mir ein halbes Dutzend Wirbel und Knochen zuschanden gedrückt!“
    „Also der umstürzende Deckel, das war der Knall, den ich hörte! Ihr seid selbst schuld an der Verwechslung. Wäret Ihr vorn im Bug geblieben! Von dort mittschiffs her konnte ich unmöglich sehen, wer es war.“
    „Aber nach meinem Geburts- und Taufzeugnis konntet Ihr mich fragen, ehe Ihr euch auf mich setztet wie ein Chimborasso auf einen Bisammuff! Alle meine Glieder sind mir ausgerenkt, und ich habe – – –“
    Er hielt inne und lauschte. Von der hintern Luke her ertönte ein lautes, schrilles und dabei doch dumpfes, brummendes Pfeifen, grad so, wie wenn ein starker Wind um eine scharfe Ecke streicht; eine Luftbewegung aber war nicht zu bemerken. Bei dem Aberglauben und der Furchtsamkeit der Singhalesen jedoch konnte es nicht groß wundernehmen, wenn sie bei diesem plötzlichen, mitternächtlichen Pfeifen auch den Wind zu spüren meinten. Schon duckte ich mich nieder, um ebenso schnell wie leise hinzuschleichen, da aber schrie Raffley unvorsichtigerweise mit so lauter Stimme, daß es über das ganze Deck schallte:
    „Das ist das Gespenst; das ist der Halunke! Schnell, Charley, drauf, schnell drauf!“
    Er rannte fort, stürzte aber schon nach wenigen Sprüngen über ein zusammengerolltes Tau, welches ihm im Weg lag, ohne daß er es beachtet hatte. Das mußte natürlich jeden, auch den zahmsten Geist verscheuchen! Ich war gezwungen, das Schleichen aufzugeben, und sprang, obgleich ich in der Eile das Gespenst nicht sah, auf die Hinterluke zu. Wenn ich diese, aus der er jedenfalls gekommen war, besetzte, könnt er uns nicht entgehen. Ich erreichte sie und blieb stehen, um mich nach dem Spuk umzusehen. Ich erblickte ihn; er rannte soeben an dem Mittelmast vorüber nach vorn, grad auf die Stelle zu, wo Raffley gestürzt war und sich soeben wieder aufraffte. Da er am Boden gelegen hatte, war er von dem Geist bis jetzt nicht gesehen worden. Da ich zu entfernt stand, diesen letzteren zu ereilen, rief ich dem Lord zu:
    „Haltet ihn! Greift schnell zu, Sir; er kommt!“
    „Hab ihn schon!“ antwortete der Englishman, indem er seine Arme nach dem Flüchtling ausstreckte. „All devils, haut der zu! Da geht er hin!“
    Ich sah trotz des unzureichenden Sternenlichtes, daß der Lord aus irgendeinem Grunde – er hatte wohl einen Schlag erhalten, dachte ich – weit zurückprallte; der Geist eilte auf die Vorluke zu, riß den zugefallenen Deckel derselben auf und verschwand in der Öffnung, doch nicht ohne vorher triumphierend in gebrochenem Holländisch auszurufen:
    „Fang doch schön', gut', tapfer Quimbo, wenn du kann, fang tapfer Quimbo!“
    Ich stand starr! Befand ich mich denn auf einer Burensiedlung am Witteroomberg in Südafrika oder auf einer chinesischen Dschunke im Hafen von Point de Galle? Das war nicht nur die Ausdrucksweise, sondern auch die Stimme meines braven

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