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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und wenn einer Eurer Soldaten ein solches Ding gesehen haben will oder wirklich gesehen hat, so wette ich um tausend oder fünftausend Pfund Sterling, daß dieses Gespenst Fleisch und Blut besitzt und irgendeine Teufelei bezweckt. Es hat sich doch nicht etwa um die Befreiung der Gefangenen gehandelt?“
    „Nein.“
    „Nicht? Es kann doch nur einer der Gefangenen gewesen sein, denn außer ihnen und den Soldaten befindet sich kein Mensch an Bord.“
    „Es war keiner von ihnen; sie sind alle so gefesselt und fest angebunden, daß keiner los kann; es war ein ganz anderes Wesen; es war ein Geist!“
    Er sagte das in so überzeugtem Ton, daß Raffley abermals den Kopf schüttelte und sich zu mir wendete:
    „Charley!“
    „Sir!“
    „Gibt es Geister?“
    „Ja.“
    „Gespenster?“
    „Nein. Wer ist es, der heute nacht eines gesehen haben will?“
    Ich richtete diese Frage an den Mudellier.
    „Die Wächter“, antwortete er.
    „Einer oder einige von ihnen?“
    „Alle. Der Lieutenant hat es mir vorhin gemeldet; ich habe ihn mitgebracht. Er wartet draußen, und wenn es euch beliebt, mag er es erzählen.“
    Ich stand auf und holte den Mann herein. Er sah gar nicht wie ein Hasenfuß aus, doch Leute seiner Abstammung sind von Haus aus dem krassesten Aberglauben ergeben. Er mußte erzählen.
    Mitternacht ist bekanntlich in allen Erdteilen und bei allen Völkern die Stunde der Geister, und um Mitternacht war es auch gewesen, als sich auf der Dschunke plötzlich ein großer Wind erhoben hatte und der Geist erschienen war.
    „Wo kam er her?“ fragte ich.
    „Das sah man nicht; er war da.“
    „Wie lange sah man ihn?“
    „Nur wenige Minuten.“
    „Wo ging er hin?“
    „Das sah man nicht; er war fort.“
    „Wie sah er aus?“
    „Schrecklich! Unsere Herzen bebten.“
    „Schrecklich! Wie meinst du das? Beschreibe ihn näher, ausführlicher.“
    „Das kann ich nicht. Wer kann Geister beschreiben!“
    „Sah er aus wie ein Tier?“
    „Nein.“
    „Wie ein Mensch?“
    „Nein.“
    „Welchem Wesen oder Gegenstand sah er ähnlich?“
    „Keinem.“
    Das war die ganze Auskunft, die ich erhielt; mehr konnte ich nicht erfahren. Vorsichtigerweise erkundigte ich mich noch:
    „Fehlt heut ein Gefangener?“
    „Nein.“
    „Sind alle noch fest angebunden?“
    „Ja.“
    „Es ist also keiner los gewesen und etwa von euch wieder angebunden worden?“
    „Nein, Sir.“
    Ich sah Raffley an und er mich; dann brachen wir in ein lautes Lachen aus.
    „Lacht nicht, Mylords!“ warnte der Mudellier ängstlich. „Die Geister rächen jeden Scherz, den man mit ihnen treibt.“
    „Die Art von Geistern, um die es sich hier handelt, rächen sich nicht, sondern sie sind sehr froh, wenn man ihnen nichts tut“, antwortete Raffley. „Eigentlich geht uns dieser Spuk gar nichts an; aber da wir es sind, die das Schiff genommen haben, dürfen wir wohl einmal nachschauen, von welcher Art seine überirdischen Bewohner sind. Charley, geht Ihr mit?“
    „Ja“, antwortete ich.
    „Habt Ihr eine Ahnung, wer der Geist ist?“
    »Jetzt noch nicht.«
    „Wollen wir wetten?“
    „Nein.“
    „Aber Ihr könnt gewinnen! Ich setze – – –“
    „Setzt nichts, Sir“, unterbrach ich ihn; „ich wette doch nicht mit.“
    „Ja, es ist ein Elend, ein wirkliches Elend mit Euch. Ihr seid wirklich zu keinem Einsatz zu bewegen, nicht einmal dann, wenn es sich um Geister handelt!“
    Es wurde erst kurz gefrühstückt, und dann begaben wir uns nach dem Hafen und auf die Dschunke. Die gestrige Wachmannschaft war noch nicht abgelöst worden; wir fanden also die Soldaten vor, welche den ‚Geist‘ gesehen hatten. Leider war von ihnen auch nicht mehr zu erfahren, als was wir schon wußten; wir merkten nur so viel, daß sie den Spuk mehr gehört als gesehen hatten.
    Natürlich stiegen wir in den Raum hinab, um die Gefangenen in Augenschein zu nehmen. Ihre Fesseln waren in dem gewünschten Zustand; es konnte keiner loskommen, der nicht von den Wächtern losgebunden wurde, und daß so etwas nicht geschehen war, konnte keinem Zweifel unterworfen sein. Als wir die Dschunke wieder verließen, waren wir grad so klug wie vorher. Wer weiß, durch was diese abergläubischen Singhalesen sich die Köpfe hatten verdrehen lassen!
    Aber am nächsten Morgen ließ der Mudellier uns zu sich bitten, um uns mitzuteilen, daß der Geist abermals um Mitternacht erschienen sei. Er war ihm von dem diesmaligen Offizier der Wache gemeldet worden, und der Mann stand noch da, um uns

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