33 - Am Stillen Ozean
das leichte Boot auf dasselbe hinauf, versteckten es unter den Schlingpflanzen, und ich forderte Quimbo auf, hier auf mich zu warten.
„Nein, schön', gut Quimbo nicht hier warten, denn hier werd fressen von Tiger.“
„Gibt's hier Tiger?“
„Oh, hier bin viel, viel Tiger. Quimbo hab für brüllen all' ganz' Nacht bis früh.“
„So komm mit; aber sprich kein Wort!“
Tiger hier, das war gefährlich, denn ich hatte nur die Revolver und das Messer bei mir, aber es mußte gewagt werden. Wir mußten den Weg, den wir von der Insel an flußaufwärts gerudert waren, am Ufer wieder abwärts machen. Ich ging voran und drängte mich, so gut es ging, durch das Dickicht; das war nicht leicht, weil meine Kleidung nur aus dem Sarong bestand; Quimbo hatte es hinter mir besser, weil ich ihm Bahn brach.
Doch schon nach kurzer Zeit stieß ich auf einen zwar schmalen, aber doch ausgetretenen, von Menschen ausgetretenen Weg, dem wir folgten, weil er genau in unserer Richtung lag. Zuweilen ging ein ähnlicher Pfad von ihm aus nach der Seite ab. Das Dickicht war also nicht so ungangbar, wie ich gedacht hatte.
Wir gingen natürlich nur langsam und höchst vorsichtig weiter, und als ich glaubte, die Nähe der Brücke erreicht zu haben, verdoppelte ich die Vorsicht. Plötzlich blieb ich stehen, denn vor mir lag ein großer Platz, auf welchem ich die gesuchte Wohnung des Chinesen vor mir hatte. Ich sah die Tigerbrücke, welche rechts, vom Fluß her, auf den Platz mündete. Jenseits stand ein ziemlich großes, nur aus Bambus errichtetes Haus, neben dem es drei kleinere Gebäude gab. Links erblickte ich eine palisadenartige, runde Umzäunung, welche aus sehr starken und wohl sechs Ellen hohen Bambuspfählen bestand, die eng nebeneinander in die Erde gerammt waren. Im Mittelpunkt dieser gab es noch eine zweite Umzäunung, welche noch höher war. Welchen Zweck mochte es haben?
Ich war hinter das Dickicht zurückgetreten, um nicht gesehen zu werden. Quimbo stand neben mir, deutete auf eines der kleineren Gebäude und flüsterte mir zu:
„Dort bin wesen fang' schön', tapfer Quimbo. Hab steh und lieg anbinden so fest, daß kann nicht fliehen.“
In diesem Augenblick hörten wir das Schmerzgeheul eines Menschen. Es erscholl aus dem großen Haus.
„Das bin Wärter, der paß auf und gab Essen arm' Quimbo“, erklärte der Kaffer.
„Warum schreit er?“ fragte ich.
„Weil er bekomm Prügel von Ling-tao.“
Ich wollte weiter fragen, tat dies aber nicht, denn aus der uns gegenüberliegenden Tür kamen drei Männer. Der eine von ihnen war – unser Lotse von gestern, der zweite auch ein Malaye; sie blieben stehen. Der dritte war ein Chinese. Er ging auf die erwähnten Palisaden zu und öffnete ein in demselben befindliches schmales Tor. Sofort erscholl das Gebrüll eines Raubtieres. Der Chinese trat in die äußere Umzäunung und machte die Tür hinter sich zu; aber ehe er dies vollständig tun konnte, sah ich das Raubtier, welches gebrüllt hatte, einen Nebelpanther von ungewöhnlicher Größe, welcher jedenfalls gezähmt war, wenigstens so weit, daß er dem Chinesen nichts tat.
Zehn Minuten später kam dieser wieder aus den Palisaden heraus und ging zu den beiden Malayen.
„Das bin Ling-tao“, flüsterte Quimbo fast zitternd.
„Weißt du, warum der Panther dort steckt?“
„Quimbo nicht weiß, aber ihn hör brüllen stets ganz' Nacht bis früh.“
Es kam mir ein Gedanke, dem ich aber nicht folgen konnte, denn von der Insel her erklangen die Töne eines Gong, worauf der Chinese und die beiden Malayen über die Brücke eilten. Als sie nach einiger Zeit zurückkehrten, war ein Vierter bei ihnen, nämlich ein Schreiber des Hafenbeamten. Sei brachten einen gefesselten und höchst wahrscheinlich geknebelten Menschen getragen, welcher malayisch gekleidet war. Er wurde nach der Palisade geschafft, deren Tür Ling-tao wieder öffnete. Wieder sah und hörte ich den Panther, welcher brüllend herbeigesprungen kam, aber auf einen Befehl seines Herren zurückwich. Dieser nahm mit Hilfe des Lotsen den Gefesselten wieder auf und trug ihn hinein. Die Tür wurde nur zu drei Vierteln zugemacht; der Schreiber und der Malaye standen bei derselben, um den andern nachzuschauen; daher kam es, daß auch wir durch die Lücke sehen konnten. Der Panther lag fauchend zur Seite; der Chinese erreichte mit dem Lotsen die innere Umzäunung; sie öffneten dieselbe, schafften den Gefangenen hinein und zogen die Tür hinter sich zu. Sie blieben wohl eine
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