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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wohl kaum hinabzukommen, und an der Wasserseite verwehrte eine scharfe Korallenbahre, über welche sich die See in hohen Wogen brach, den Zugang. Und doch stand ein Mensch da unten, der mich bemerkt hatte und mir durch Gestikulationen zu verstehen gab, daß er sich in einer verzweifelten Lage befinde.
    Ich konnte die Laute hören, die Worte aber nicht verstehen, seine Kleidung jedoch sagte mir, daß er ein Chinese sei. Wie kam der Mann nach Stapleton-Island und noch dazu in diese unzugängliche Bucht? Freiwillig jedenfalls nicht. Aber wie war es möglich, ihn herauszubringen? Ich überlegte noch, wie dies möglich sei, als ich hinter mir Schritte hörte. Ich drehte mich um, denn ich vernahm aus dem lauten Schnaufen, daß es mein reuig zurückkehrender Frick Turnerstick sei.
    „Alle Wetter, war dies geklettert! Ich will lieber an tausend Mastbäumen hinauf, als diesen Berg wieder hinunter!“ seufzte er.
    Der gute Mann ließ ganz außer acht, daß er dennoch und auf jeden Fall wieder hinab müsse.
    „Wollt Ihr vielleicht auf dieser Seite hinab, Sir?“ fragte ich, auf den Abgrund deutend.
    Er streckte alle zehn Finger abwechselnd aus.
    „Fällt mir niemals ein! Ich glaube, ich käme so unmäßig schnell in die Tiefe, daß der Kapitän Frick Turnerstick als ein Wrack unten läge, an welchem man weder Rumpf noch Masten oder Spieren und Stengen zu erkennen vermöchte.“
    „Und doch müßt Ihr hinab!“
    „Ich? Müssen? Warum? Charley, ich komme in ganz guter und rechtschaffender Absicht wieder, und Ihr wollt mich dafür geradezu in den Tod jagen. Ist das recht von Euch?“
    „Ja, was soll denn aus dem Mann da unten werden, wenn Ihr ihn nicht heraufholt?“
    „Ein Mann? Wo?“
    „Macht es wie ich: Legt Euch nieder und seht ihn Euch an!“
    Er folgte dieser Aufforderung mit sehr bedeutender Vorsicht und fragte dann:
    „Ein Chinese, nicht, Charley?“
    „Ja.“
    „Wie kommt der Kerl in diesen Käfig?“
    „Das wird er uns wohl sagen. Zur See können wir nicht zu ihm; das ist wegen der fürchterlichen Barre dort unmöglich; also müssen wir hier hinunter.“
    Der Kapitän machte ein ganz verzweifeltes Gesicht.
    „Hört, Charley, ich möchte dem Kerl von Herzen gern helfen, aber was kann es ihm nutzen, wenn ich seinetwegen Hals und Bein breche?“
    „Das ist richtig. Also werde ich versuchen, hinabzukommen.“
    „Wird Euch nicht anders gehen“, meinte er ängstlich.
    „Wollen sehen! Ganz hinunter kann ich allerdings unmöglich, aber es ist gut, daß ich meinen Lasso bei mir habe. Seht dort den Baum am Rand stehen! Von da aus lasse ich mich auf den schmalen Vorsprung, den Ihr unter ihm seht, hinab, und ist Eure Aufgabe, den Lasso, welchen ich bei meiner Rückkehr werfen werde, aufzufangen und an den Stamm zu binden. Ihr haltet natürlich mit, wenn ich emporsteige.“
    Wir schritten bis zu dem Baum hin, an welchen ich, tief an der Erde, den Lasso befestigte. Dann warf ich Jacke und Mütze ab und ließ mich auf den erwähnten Vorsprung, welcher vielleicht fünfzehn Fuß unter uns lag, hinab.
    „Den Lasso los, Käpt'n!“
    „Aye, aye! Aber nehmt Euch in acht, Charley; wenn Ihr stürzt, so kann Euch niemand helfen!“
    Ich legte mir den Lasso um den Leib und stieg weiter. Die ganze Höhe des Felsens mochte vielleicht zweihundert Fuß betragen. Von dem vier Fuß breiten Absatz, zu welchem ich mich niedergelassen hatte, war es für einen geübten und schwindelfreien Bergsteiger nicht schwer, bergab zu kommen, und nun ungefähr zwanzig und etliche Fuß über der Sohle des Kessels hörte diese Möglichkeit vollständig auf. Ich langte glücklich dort an.
    Der Chinese war meinen Bewegungen mit gespanntem Auge gefolgt. Jetzt aber stieß er einen Ruf der Enttäuschung aus. Ich drehte mich ihm zu und fragte im Kuan-hoa, da ich vermutete, daß er mich da jedenfalls verstehen werde:
    „Wie heißt du?“
    „Kong-ni.“
    „Wo bist du her?“
    „Aus Tien-hia über dem Meer.“
    „Aus welcher Provinz oder Stadt?“
    „Aus Kuang-tscheu-fu in der Provinz Kuang-tong.“
    „Wie kommst du hierher?“
    „Ich war auf einem Lung-yen, welche gestern im Taifun zugrunde ging. Die Wogen haben mich herein geschleudert, und ich muß sterben, wenn du mich nicht rettest.“
    „Kannst du gut steigen?“
    „Ich war in allen Bergen des Westens; mein Auge ist gut, und mein Fuß zittert nicht. Aber mein Kopf ist an die Felsen geschlagen, so daß mir schwindelt, und mein linker Arm ist verwundet, so daß ich große Schmerzen

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