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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Bodens zu überwinden. Endlich blieb er hustend und pustend stehen.
    „Charley, haltet ein! Wollt Ihr etwa bis zum Mond hinauf? Seht dieses Tal da drüben, es wimmelt von Ziegen. Wenn wir hinübergehen, so schießen wir mit vier Schüssen wenigstens zwanzig nieder.“
    „Eben da hinüber will ich ja!“
    Er sah mich mit offenem Mund und unsäglich erstaunter Miene an.
    „Da – hi – nüber –? Hört, Charley, einer von uns beiden ist verrückt, entweder Ihr oder ich; doch will ich Euch offen gestehen, daß ich meine Sinne vollständig im Kurs habe. Will der Mensch da nach Backbord hinab und segelt geradewegs nach Steuerbord hinauf!“
    Ich mußte lachen.
    „Sagt einmal, Käpt'n, was Ihr da unten im Backbord wollt?“
    „Ziegen schießen, was denn anderes?“
    „Well! So versucht es einmal. Ich zahl Euch zehn Dollar für jede, die sich von Euch schießen läßt!“
    „Ihr wollt doch nicht etwa sagen, daß ich nicht zu schießen verstehe!“
    „Nein, aber ich will sagen, daß sie Euch direkt im Wind haben.“
    „Im Wind? Charley, nehmt mir's nicht übel, aber hier hört Eure Natur- und Suppenforscherei vollständig auf! Was soll eine Ziege vom Wind verstehen? Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß ich diese Mauer hier nicht mit emporklettere. Macht, was Ihr wollt; ich aber werde nicht mit zerbrochenem Hals an Bord zurückkehren!“
    Er wandte sich wirklich nach Backbord und stampfte und dampfte hustend und pustend davon. Ich mußte mich sputen, wenn ich mir die Jagd nicht verderben lassen wollte. Übrigens hätte ich ihn gar nicht von mir gelassen, wenn ich nicht gemeint hätte, aus seinem Verhalten Nutzen zu ziehen.
    Ich klomm schnell empor und erreichte den Grat, hinter welchem die Höhe schroff in ein Seitental abfiel. Den Stock als Stütze und Balancier gebrauchend, rutschte und fuhr ich mehr, als ich ging hinab und eilte dann links weiter, bis wo die Schlucht in das Tal mündete, nach welchem sich mein guter Frick Turnerstick gewandt hatte. Hier lehnte ich mich hinter einen Felsen und wartete, den Henrystutzen in der Hand, welchen ich statt der Büchse mitgenommen hatte.
    Ich brauchte nicht lange zu warten, denn kaum stand ich zwei Minuten hier, so kamen sie angaloppiert in eiliger Flucht, all die Ziegen, von denen der tapfere Kapitän auf jeden Schuß zwei hatte treffen wollen. Das Haupttal machte kurz vor mir eine Biegung: die Tiere konnten mich nicht sehen und liefen mir gerade in das Feuer. Zwei, drei, fünf, sechs Schüsse, dann waren sie vorüber, und sechs Tiere lagen am Boden. Eben wollte ich vortreten, als ich etwas heftig ächzen und schnauben hörte. Es kam förmlich wie eine Lokomotive angepufft und blieb erstaunt vor den getroffenen Ziegen halten. Es war der Kapitän.
    „Tausend Geißen! Was ist das? Wer hat diese Gemsen geschossen?“ rief er.
    Ich trat, herzlich lachend, hervor.
    „Ich, wenn Ihr nichts dagegen habt, Sir!“
    „Ihr? Charley, Ihr? Wie kommt Ihr hierher?“
    Der gute Frick riß vor Erstaunen den Mund auf, als wenn er alle seine ‚tausend Geißen‘ auf einmal verschlingen wollte.
    „Da oben von der Mauer herunter. Ich versprach Euch für jede Ziege, die sich von Euch schießen lassen würde, zehn Dollar. Wie viel habe ich zu bezahlen?“
    Er machte ein höchst verlegenes und verdrießliches Gesicht.
    „Ja, Charley, dieses Viehzeug ist mir wahrhaftig durchgebrannt, ehe ich nur dazu kommen konnte, die Piratenflagge aufzuhissen. Da habe ich alle Leinwand aufgezogen und bin ihnen nachgesegelt, daß meine Lunge bläst, wie der Taifun gestern. Wie will ich da vor Anker gehen, Atem holen, das Gewehr vom Rücken bringen, zielen, losdrücken, schießen und treffen können! Ihr dürft von einem wackeren Seemann nicht sechsmal mehr verlangen, als ein anderer zu leisten vermag!“
    „Habe ich verlangt, daß Ihr sechsunddreißig Ziegen schießen sollt?“
    „Sechsunddreißig? Wie kommt Ihr auf diese Nummer?“
    „Hier liegen meine sechs; sechsmal mehr' habt Ihr gesagt, und sechs mal sechs ist sechsunddreißig.“
    „Hm, die Rechnung stimmt“, antwortete er, erst sein Gewehr und dann meine Ziegen ansehend. „Hört, Charley, sollten diese Kreaturen wirklich etwas vom Wind verstehen?“
    „Natürlich. Sie haben einen ausgezeichneten Geruchssinn, und außerdem werden sie Euch wohl gehört und gesehen haben, denn groß und breit genug seid Ihr ja und Eure Lunge hörte ich schon achtzig Schritte weit.“
    „Hört, Charley, soll ich etwa wegen einer Ziege ersticken? Fällt mir

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