33 - Am Stillen Ozean
Ihr etwas, Charley? Dieser Mann hat sich einigermaßen erholt und wird wohl bis zum Strand laufen können. Es wird Abend, und wir wollen machen, daß wir hier fortkommen!“
Das war mir recht. Kong-ni erklärte, daß er genug Kraft besitze, selbst zu gehen. Ich gab ihm mein Taschentuch als Bandage, in welcher sein Arm ruhen konnte, und dann brachen wir auf. Der kurze Weg bis zur Jolle war bald zurückgelegt. Wir schoben sie in das Wasser, stiegen ein und griffen zu den Rudern. Kong-ni hielt sich wacker, und wir brachten ihn, der ohne unsere Jagdexpedition auf dem einsamen Stapleton-Island elend hätte verschmachten müssen, glücklich auf unser Schiff, wo ich seinen Arm sofort in die Behandlung nahm.
Die Reparaturen, deren unser ‚The Wind‘ bedurfte, stellten sich leider als sehr umfangreich und langwierig heraus. Der Taifun hatte das ganze Gebäude des Schiffes arg zusammengerüttelt, dessen Fugen durch das Zerbrechen des Fock- und Bugmastes arg erschüttert worden waren. Zudem fehlten die beiden Boote, und um nur das Hauptsächlichste herzustellen, bedurften wir eines Aufenthaltes von zwei Wochen in Port Lloyd. Dann endlich gingen wir in See nach Canton, wo die Hauptreparaturen bewerkstelligt werden sollten.
Der Arm Kong-nis machte mir keine Sorge, denn die Heilung schien einen ganz guten, regelrechten Verlauf zu nehmen. Überhaupt war mir die Anwesenheit des Chinesen sehr vorteilhaft; er sprach den weicheren, wohllautenden südlichen Dialekt, ich aber hatte meine Übungen im Dialekt von Peking gemacht. Deshalb behielt ich ihn fast während des ganzen Tages bei mir, um, ohne daß er es merkte, sein Schüler zu sein.
Darauf war der Kapitän aufmerksam geworden.
„Charley, sagt einmal, ist denn dieser Chinese gar so ein prachtvoller Mensch, daß Ihr keine Minute von ihm lassen könnt?“ fragte er mich. „Ich muß Euch offen sagen, daß ich höchst unzufrieden mit Euch bin, denn Ihr vernachlässigt mich auf eine wahrhaft schauderhafte und unverzeihliche Weise.“
„Ihr habt einigermaßen recht, Käpt'n, aber werdet mit verzeihen, wenn ich Euch gestehe, daß ich mich meist der Sprache wegen zu Kong-ni halte. Ihr glaubt nicht, wie viel man schon in einer einzigen Woche zu lernen vermag, wenn man Gelegenheit hat, seine Studien in dieser Weise vorzunehmen.“
„Ah, das ist es also, Ihr Schlaukopf! Ich bin ein wenig weit in der Welt herumgekommen und könnte es sehr gut gebrauchen, wenn ich mir hier und da einiges von anderen Sprachen zusammengelesen hätte; aber einesteils kommt man mit unserm Englisch an jedem Ort durch, andernteils habe ich ein ganz außerordentliches Talent, in fremden Sprachen weniger als nichts zu lernen. Ich habe einst sechs Monate lang Französisch getrieben und weiß nur noch, daß vaisseau Schiff heißt, und auch das werde ich in acht Tagen vergessen haben. Aber eine Schande ist und bleibt es doch, daß ich nach Canton will und kein Wort Chinesisch verstehe. Wollt ihr mir nicht einiges lehren, Charley?“
„Sehr gern, wenn es Euch Spaß macht!“
„Spaß weniger, aber Arbeit wird es mir machen. Jedoch, ich habe mir sagen lassen, daß diese Leute nur einsilbige Wörter haben, und da denke ich, daß die Geschichte nicht gar so schwierig sein wird.“
Diese Ansicht war allerdings belustigend, aber ich begann doch mit dem Unterricht und muß gestehen, daß er reißende Fortschritte machte im – Vergessen. Drei Worte, welche er mir heut fünfzigmal hersagen mußte, hatte er bereits morgen schon wieder vergessen oder gebrauchte sie in einer Weise, welche mir die Lachtränen in die Augen trieb, und als wir Canton erreichten, war er imstande, eine englisch-chinesische Rede zu halten, von der kein Mensch ein Wort verstehen konnte, weil sie aus Redeteilen bestand, welche er für den Augenblick extemporierte.
Die Granitfelsen der Insel, auf welchem Hongkong erbaut ist, stiegen vor uns empor; die uns begegnenden Fahrzeuge waren immer zahlreicher geworden, und als wir die Landspitze duplierten, hinter welcher Victoria liegt, wie die Engländer die Stadt benannt haben, sahen wir im wahrsten Sinne des Wortes Tausende von Dschunken um uns her, teils mit Fischerei und teils mit Transport und Küstenhandel beschäftigt.
Ich stand mit dem Kapitän auf dem Hinterdeck. Er beobachtete mit großem Interesse das uns umflutende Treiben und meinte:
„Wißt Ihr, Charley, daß ich einen sehr außerordentlichen Entschluß gefaßt habe!“
„Welchen?“
„Ich habe Euch bisher nicht begreifen
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