33 - Am Stillen Ozean
können, daß Ihr in der Welt herumstöbert, bloß um Land und Leute kennenzulernen; jetzt aber ist mir die Sache einleuchtender geworden. Ich hänge von keinem Menschen ab, muß mein Schiff hier wieder seetüchtig machen, woraus ein längerer Aufenthalt entsteht, und da ich mir unter Eurer vortrefflichen Leitung eine so ganz unerwartete Fertigkeit im Chinesischen angeeignet habe, so bin ich entschlossen, mich Euch hier anzuschließen, um auch einmal in Eurer Weise ‚Land und Leute kennenzulernen‘. Ihr nehmt mich doch mit, Charley?“
„Mit Vergnügen, denn ich hoffe, daß Ihr mit Eurem Sprachschatz auskommen werdet!“
„Habt keine Sorge, alter Junge! Das Chinesische ist tausendmal leichter, als man glauben sollte. Kan-tong, Nan-king, Hong-kong, Pe-king. Gin-seng; habt Ihr aufgepaßt? Alles lautet auf ong, ing, eng, ung und so weiter; das ist doch kinderleicht.“
„Schön! Wie würdet Ihr also zum Beispiel einen Chinesen grüßen?“
„Wollt Ihr mich etwa verblüffen? Im Englischen grüße ich ‚good day‘, im Chinesischen also ‚goodeng day'ing‘. Wer das nicht versteht, ist so dumm, daß ihm kein Doktor helfen kann. Nun, Charley, wollt Ihr mich noch weiter examinieren?“
„Nein, ich habe zur Genüge!“ lachte ich. „Laßt Euch ganz aufrichtig sagen, daß ich noch niemals einen so geistesgegenwärtigen Schüler gehabt habe!“
„Ist das ein Wunder? Geistesgegenwart ist ja die erste Erfordernis bei einem tüchtigen Seemann, und Master Frick Turnerstick ist nicht ein Kapitän, der sich unter die schlechten rechnen läßt. Aber jetzt müßt Ihr mich entschuldigen; ich habe keinen Lotsen und muß mich deshalb selbst um das Einlaufen bekümmern.“
Wir gingen in Parade vor Anker, und die üblichen Salutschüsse wurden gewechselt. Kong-ni stand dabei neben mir. So bekannt er mir geworden war, in einer Beziehung war er mir doch ein Rätsel geblieben; ich hatte nie erfahren können, welchem Gewerbe oder Beruf er angehört und in welchen familiären Verhältnissen er sich befindet. Zwar hätte ich sehr leicht eine direkte Frage aussprechen können, da er aber meine Andeutung nicht verstehen wollte, so hatte ich dies unterlassen.
Der junge Mann hatte nicht jenes nichtssagende und nur schlau blickende Gesicht, welches bei den Chinesen stereotyp zu sein scheint; er besaß vielmehr recht intelligente Züge, und die eingehenden Unterhaltungen, welche wir gepflogen hatten, waren mir oft Beweisführer geworden, daß er eine unter seinen Landsleuten nicht gewöhnliche Bildung besaß.
„Wie lange wirst du in Hongkong bleiben?“ fragte er mich.
„Das ist noch unbestimmt.“
„Willst du bloß nach Kuang-tscheu-fu gehen?“
„Nein. Ich werde weitergehen.“
„Das werden dir die Kuang-fu nicht erlauben.“
„So werde ich es mir selbst erlauben.“
„Ich habe dich ‚Kuang-si-ta-sse‘ genannt und weiß, daß du klug und mutig bist; aber du wirst dennoch nicht weiter als bis Kuang-tscheu-fu kommen. Ihr nennt diese Stadt Canton und dürft sie besuchen; aber wer von euch hat sie schon einmal richtig gesehen? Es ist euch nur erlaubt, die Straße zu betreten, die nicht zur chinesischen Stadt gehören. Wie willst du noch weiter kommen, wenn du kein Chinese bist?“
„So werde ich einer!“
„Das ist schwer. Du hast mir das Leben gerettet, und ich möchte dir gern dankbar sein. Erlaube mir, dir einen Rat zu geben!“
„Sprich!“
„Willst du der Sohn eines Fu-yuen werden?“
Ich erstaunte bei dieser Frage, welche grad ebenso klang, als wenn mir daheim ein einfacher Bürger angeboten hätte, der Adoptivsohn des Königs von Bayern oder Sachsen zu werden. Kong-ni konnte nicht wagen, einen Scherz mit mir zu treiben, und ich besaß ja kaum irgendwo eine nähere Kenntnis des rätselhaften Landes, welches zu betreten ich im Begriffstand. Deshalb fragte ich einfach:
„Ist das möglich?“
„Ich mache es möglich, dir zuliebe.“
Diese Antwort wurde in einem Ton gegeben, der wie die vollständigste Überzeugung klang. Ein Fu-yuen ist der erste Beamte des Tsung-tu, den wir in Europa Vizekönig zu nennen pflegen, und hat die ganze Zivilverwaltung einer Provinz in der Hand. Wer war dieser Kong-ni, daß er mir einen solchen Vorschlag machen konnte? Ich hatte hier mit unbekannten Verhältnissen zu rechnen und mußte mich also so passiv wie möglich verhalten.
„Ich habe bereits einen Vater“, antwortete ich.
„Dein Vater ist nicht hier. Du bist kein Diener des Fo und auch nicht des Buddha, sondern
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