33 - Am Stillen Ozean
waren. Auf schmutzigen und zerrissenen Matten und primitiven Bänken hockte und lag da eine Menge verkommener Gestalten an den Wänden hin und hörte der ohrenzerreißenden Musik zu, welche von einem alten, wackeligen Podium herunterscholl. Sie hatten in kleinen Täßchen Tee vor sich stehen; ein bezeichnender Duft aber, welcher bei einem gelegentlichen Öffnen der Tür aus dem Nebenraum drang, sagte mir, daß dort eine Opiumbutike sei.
Als wir eintraten, verstummte die Musik sofort, und alle Blicke richteten sich auf uns. Turnerstick nahm auf einem der Bänke mit einer Miene Platz, als ob er hier Stammgast sei, und ich setzte mich neben ihn. Ein verkommenes Subjekt nahte sich uns.
„Was wollt ihr hier?“ wurden wir gefragt.
„Trinken.“ antwortete ich.
„Was befehlt ihr?“
„Was hast du?“
„Tscha, weiter nichts.“
„So gib uns Tscha.“
„Wollt ihr dazu rauchen?“
„Nein.“
Es wurden uns zwei Täßchen gebracht, welche mehr Schmutz als Tee enthielten; es graute mir, das Zeug nur anzuriechen.
„Soll dies Tee sein, Charley?“ erkundigte sich Turnerstick.
„Ja.“
„Dann ist Schiffsraumwasser der feinste Jamaica-Rum. Seht ihr die Gesichter, welche das Volk uns schneidet?“
„Laßt uns bezahlen und gehen!“
„Fällt mir nicht ein! Sollen diese Kerls etwa denken, daß wir aus Angst vor ihnen davonlaufen?“
Mehrere der Gäste hatten sich erhoben und waren zu dem Wirt getreten. Ich konnte von dem, was gesprochen wurde, nur weniges verstehen:
„Du darfst keine Ing-kie-li, keine Meerteufel, bei dir leiden!“
„Mein Haus steht jedem offen, der mich bezahlt. Man hat die Ing-kie-li in die Stadt gelassen; warum soll ich sie nicht dulden?“
„Man wird dich und uns bestrafen, wenn man sie hier findet. Jage sie fort, oder wir gehen!“
„Seht ihr nicht, daß es starke Männer sind? Sie werden sich wehren und mir viel Schaden machen.“
„Wir helfen dir. Gehe hin und jage sie fort.“
„Tut ihr es. Mich gehen die Fremdlinge nichts an.“
„Wohlan, so werden sie hinausgeworfen!“
Turnerstick mußte natürlich merken, daß wir der Gegenstand dieses bedrohlichen Gespräches waren. Er fragte mich:
„Was redet das Volk, Charley?“
„Sie wollen uns hinauswerfen.“
„Blitz und Knall, den Kapitän Frick Turnerstick hinauswerfen! Diese dürren Kröten! Pshaw, sie mögen kommen!“
„Laßt uns lieber gehen, Käpt'n!“
„Charley, ich bin einmal versessen darauf, hier Musik und einige Lieder zu hören, und will den sehen, der mir dies verwehrt. Wenn Ihr Euch fürchtet, könnt Ihr gehen.“
„Ohne Euch nicht.“
„Well, so bleiben wir! Wenn wir einmal Land und Leute kennenlernen wollen, so müssen wir doch auch erfahren, wie es in diesen Teekneipen zugeht. Ah, da kommen sie!“
Sämtliche Gäste hatten sich erhoben. Einer schob den andern näher, bis die vordersten hart vor uns standen. Derjenige, welcher vorhin zum Wirt gesprochen hatte, ergriff auch jetzt das Wort:
„Ihr seid Ing-kie-li?“
„Nein, sondern Yeng-kie-li.“ antwortete ich, da Reden jedenfalls besser war als Schweigen.
„Das ist gleich; das ist eines so schlimm wie das andere. Kein Ing-kie-li und kein Yeng-kie-li gehört nach Tschung-kuo. Dieser Jo-schi-siang ist nur für uns und nicht für euch. – Geht fort, sonst werfen wir euch hinaus!“
Wäre mir dies in einem andern Land gesagt worden, so hätte ich den Menschen einfach durch das Fenster geworfen; unter den gegenwärtigen Verhältnissen aber war dies nicht geraten.
„Wer sagt dir, daß wir nicht nach Tschung-kuo gehören? Die Chinesen kommen zu Tausenden in das Land der Yeng-kie-li und haben dort die Erlaubnis, zu tun, als ob sie im Tien-tschao wären. Wir sind gut, freundlich und höflich mit ihnen, und daher werdet auch ihr mit uns so sein.“
„Die Yeng-kie-li sind Verräter, welche die Tschia-dse auf ihre Schiffe und in ihr Land locken, damit sie Tscha-no (Guano) graben und fern von den Gräbern ihrer Ahnen sterben. Wir locken euch nicht zu uns; wir wollen euch nicht haben. Geht fort!“
Leider hatte dieser Mann nicht ganz unrecht. Es sind einigemale von gewissenlosen, spekulativen Amerikanern Chinesen unter der Vorspiegelung, daß sie zu Bahnbauten oder Farmarbeiten benutzt werden sollten, über das Meer gelockt und nach den verrufenen Guanoinseln geschafft worden, wo sie nach wenigen Monaten elend hinsterben mußten, ohne daß ihre Leichen zurück nach China kamen, was doch das höchste Bestreben eines jeden ausgewanderten
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