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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Tien-tsch?“
    „Ja. Gott schuf den Menschen gut, aber der Mensch ward ungehorsam.“
    „Das lehren wir auch, denn unsere Religion ist eure Religion.“
    „Das ist vielleicht doch nicht ganz der Fall. Eure Religion sagt zwar: ‚Jen dse thu, sin pen schan‘, doch wie der Mensch die verlorene Heiligkeit wieder erlangen kann, das sagt sie nicht.“
    „Das vermag sie auch gar nicht zu sagen, denn der Mensch kann seine frühere Vollkommenheit ja niemals wieder erlangen.“
    „Grad darum ist deine Religion nicht die meine, denn die meinige sagt, daß der Mensch fromm, heilig und selig werden könne.“
    „Das sagt sie? Nun ja, so ist es die Meinung deiner Religion, und wegen einer Meinung soll man eine Religion nicht verwerfen. ‚San kiao, y kiao‘, das hast du wohl schon gehört, und ‚Put tun kiao tun li‘, das ist ganz dasselbe.“
    „Ich muß dir widersprechen. Das größte Unglück für den Menschen war, daß er seine Heiligkeit, seine Vollkommenheit verlor. Gibst du dieses zu?“
    „Ja.“
    „Dann muß es für ihn ja auch das größte Glück sein, sie wieder erlangen zu können. Nicht?“
    „Das ist richtig.“
    „Deine Religion spricht ihm dieses Glück ab, die meinige gewährt es ihm aber. Welche ist da vorzuziehen?“
    „Du willst sagen, daß deine Religion besser sei als die meinige? Du bist nicht höflich, und doch glaubte ich bisher, daß die Tao-dse sehr höfliche Leute seien. Aber wir wollen uns deshalb nicht zanken. Du sagst, daß deine Religion besser sei als die meinige, und ich sage nun auch, daß die meinige besser sei als die deinige; also sind wir vollständig einig, denn wir haben von unsern zwei Religionen ganz dieselbe Ansicht. Sage mir lieber, was du bist!“
    „Ich bin ein Moa-sse.“
    „Ein Moa-sse? Und warum kommst du nach Tien-hia?“
    „Weil ich dieses Land und seine Bewohner kennenlernen will.“
    „Und warum willst du sie kennenlernen?“
    „Um ein Buch über Tien-hia schreiben zu können.“
    „So mußt du ein reicher Mann sein.“
    „Ich bin im Gegenteil sehr arm. Aber du mußt wissen, daß in meinem Land die Schriftsteller bezahlt werden, während bei euch die Moa-sse umsonst schreiben.“
    „Dann seid ihr Tao-dse ganz unbegreifliche Leute! Was ist der Yeng-kie-li hier?“
    „Ein Yang-scheu-pi.“
    „Hat er ein Schiff?“
    „Ja; es liegt in Hongkong.“
    „Warum kommt er nach Kuang-tscheu-fu?“
    „Weil er mein Freund ist und mich nicht allein gehen lassen wollte.“
    „Ist sein Schiff ein Kriegsschiff?“
    „Nein, sondern ein Handelsfahrzeug.“
    „Das ist ein Glück für ihn, sonst müßte ich strenger gegen euch sein. Seit wann seid ihr in Kuang-tscheu-fu?“
    „Erst seit heute.“
    „Weshalb seid ihr nicht in der Vorstadt geblieben, sondern in die innere Stadt eingedrungen?“
    „Weil wir nicht glaubten, daß wir dort so ungezogene Menschen finden würden.“
    „Schreibst du in deinem Buch auch von ihnen?“
    „Ja.“
    „Und auch, daß du bei mir gewesen bist?“
    „Ja.“
    „Und wie ich euch aufgenommen und behandelt habe?“
    „Ja.“
    „Und das werden alle Tao-dse lesen?“
    „Nicht bloß diese, sondern auch die Yeng-kie-li, die Ing-kie-li, die Fampa, die O-ro, die Por-tu-ki, die Hi-pan-si, denn das Buch wird auch in ihren Sprachen gedruckt.“
    Ich mußte die Sache ein wenig größer machen, als sie war; dies konnte mir nur Nutzen bringen.
    „So setzt euch nieder. Ihr sollt sehen, wie ich Gerechtigkeit übe!“
    Wir nahmen auf einem Diwan Platz. Er klingelte und der Ping erschien.
    „Bringe die Männer herbei!“
    „Dieser Kerl spricht wirklich ein schauderhaftes Chinesisch“, flüsterte Turnerstick. „Ich habe kein Wort verstanden. Was wird mit uns geschehen?“
    „Nichts. Ich glaube im Gegenteil, daß die andern bestraft werden.“
    „Wie käme das?“
    „Weil ich ihm gesagt habe, daß ich über die Chinesen ein Buch schreiben werde und ihn mit darin erwähnen will.“
    „Sehr politisch, Charley, sehr klug. Bin neugierig!“
    Unsere Gegner wurden gebracht. Das Gesicht des Richters war ein ganz anderes geworden. Seine Stirn lag in schweren Falten, und seine kleinen Augen blitzten zornig auf sie nieder, die nach chinesischer Etikette vor ihm auf den Knien lagen.
    „Ihr wagt es, bloß zu knien, ihr Hunde?“ donnerte er sie an. „Auf den Bauch mit euch, und die Stirn an die Erde! Welcher von euch ist der Wirt, bei dem die Untat geschah?“
    „Ich, Siao-ti!“ antwortete dieser, ohne das Gesicht vom Boden zu erheben.
    „Haben

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