33 - Am Stillen Ozean
seien, und so kam der Diener, um uns zum Frühstück zu rufen, welches der Tscha-juan mit uns einnehmen wollte. Dieser hatte bereits auf uns gewartet. Er meinte, daß uns die Gewänder gut kleideten, und überreichte mir ein Empfehlungsschreiben, welches ich seinem Bruder Phy-ming-tsu übergeben sollte.
Bis nach Li-ting war es per Palankin eine Tagesreise, und zur Bestreitung der dabei entstehenden Kosten gab er mir zwei Silberbarren, zu deren Annahme er mich förmlich nötigte.
Dann nahmen wir Abschied. Auch Turnerstick erfaßte die Hand des Richters und sprach:
„Geliebter Freund und Bruder! Es will mir scheineng, daß du ein braver und gemütlicher Kerling bist. Habe Dank für alles, was wir gegessang und getrunking habong. Auf der Rückfahrt kommang wir wieder. Adieu, lebing wohl, alter Jungeng!“
Wir wurden von ihm bis hinab in den Hof begleitet. Ich gab mir Mühe, Fächer und Regenschirm mit möglichster Bravour und Grandezza zu handhaben; Turnerstick aber schulterte seinen Schirm sehr einfach wie eine Flinte und trug den Fächer in der Faust, als ob er eine Eisenholzkeule zu schleppen habe.
Das Gefolge bestand aus mehr als dreißig Menschen, die sich bei unserem Erscheinen alle zur Erde warfen. Wir nahmen noch einen letzten, kurzen Abschied, stiegen ein, und dann ging es fort, und zwar in eiligem Trab, wie es die Palankinträger gewohnt sind.
Voran liefen vier Läufer, bewaffnet mir Bambusstäben, um jedem Begegnenden wo möglich durch kräftige Streiche begreiflich zu machen, daß er anzuhalten, auszuweichen, abzusteigen und demütig zu grüßen habe, da ihm die ganz unverdiente Gnade zuteil werde, zwei Tragsessel zu sehen, in denen sich sehr vornehme Kuang-su befanden. Dann folgten acht Soldaten, bewaffnet mit Luntenflinten, aus denen wohl seit zwanzig Sommern und Wintern kein Schuß getan worden war; sie hatten vorn auf der Brust den Drachen und auf dem Rücken die Inschrift ‚Ping‘. Nun kamen vier ledige Träger, welche die andern abzulösen hatten; dann folgte mein Palankin vor demjenigen des Kapitäns, hinter dem unser Reisemarschall keuchte. Ihm folgten wieder vier ledige Träger, da jeder Palankin von vier Mann getragen wurde. Hinter ihnen liefen wieder acht Soldaten, diese aber mit Lanzen, Pfeil und Bogen bewaffnet. Zu guter Letzt folgte ein langgezogener Schwanz von Straßenjungen, welche aus allen Kräften schrien und nur immer die beiden Worte ‚Tsien‘ und ‚Kom-tscha‘ brüllten. Zuweilen blieb einer der Läufer zurück und zog ihnen einen kräftigen Tsien oder ein klatschendes Kom-tscha über den Rücken herüber, was aber nur zur Folge hatte, daß sich das Geschrei verdreifachte. Und wenn ja einmal einer dieser Schlingel zurückblieb, waren mittlerweile bereits zwei andre für ihn eingetreten.
Erst als wir nach anderthalb Stunden die Stadt nebst ihren Vororten im Rücken hatten, löste sich dieser Schweif allmählich vom Kometen ab, und es begann ruhiger hinter uns zu werden.
Die Palankinträger sind die volkstümlichsten Gestalten des ganzen himmlischen Reiches. Sie leisten beinahe Übermenschliches. Immer im Geschwindschritt rennen und laufen sie vorwärts; sie keuchen unter ihrer Last, der Schweiß rinnt ihnen aus allen Poren, aber sie scheinen niemals zu ermüden. Ihnen ist es gleich, ob der Weg gut oder schlecht ist, bergauf oder bergab geht und durch heiße Sandstrecken oder breite Wasserläufe führt. Und dafür bekommen sie einen Tsien für die Meile, also etwas über drei Pfennig die Wegstunde. Gekleidet sind sie in ein sehr kurzes Beinkleid und eine ebenso kurze Jacke, und an den nackten Füßen tragen sie Sandalen aus Reisstroh.
Ich konnte mich für die Reise im Tragsessel nicht begeistern. Man lag wie in einem Sarg, und lieber hätte ich ein gutes Pferd unter mir gehabt; die Pferde aber sind in China, besonders in dem südlichen Teil, außerordentlich selten.
Erst zu Mittag machten wir Halt. Wir befanden uns in einem Dorf, dessen Sian-yo uns den Kuang-kuan öffnete und alles Nötige, was wir brauchten, herbeischaffen mußte. Wir hielten eine mittelmäßige Mahlzeit und ruhten noch eine Weile aus.
„Charley, sagt einmal, wie Euch so ein Palankin gefällt?“ sagte Turnerstick.
„Nicht sehr.“
„Und mir noch weniger. Das Ding ist aus den köstlichsten Stoffen gemacht, aber man reist ganz niederträchtig darin. Ich lobe mir meine Barke!“
„Und ich mir ein Pferd.“
„Heigh-ho, fällt mir gar nicht ein! Ein Pferd, von dem ich alle zehn Schritte zwanzigmal
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