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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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euch tun, was ihnen möglich ist. Du hast die Kleidung, welche dir geschenkt wurde, nicht mit. Ich werde euch chinesische Gewänder geben und Mandarinenhüte, so daß man euch überall, wohin ihr kommt, mit Achtung begegnen wird.“
    „Darfst du uns die Abzeichen von Mandarinen geben?“
    „Ich erlaube es mir. Übrigens sprichst du chinesisch, so daß du dich nicht verraten wirst.“
    Das klang sehr verlockend, und darum ging ich, obgleich verschiedene Bedenken in mir aufsteigen wollten, auf den Vorschlag ein, doch nicht, ohne vorher mit dem Kapitän darüber zu sprechen.
    „Wollt Ihr ein Mandarin werden, Käpt'n?“
    „Warum nicht, falls es uns Spaß macht und nicht allzu sehr gefährlich ist.“
    „Unser Wirt will uns chinesisch kleiden und zu Kong-ni schicken, der sich bei seinem Vater, welcher ein Graf ist, aufhält.“
    „Well! Ich bin dabei, wenn der Ausflug nicht viel Zeit in Anspruch nimmt. Wenn der Mann ein Graf ist, so hat man alle Hoffnung, daß der jetzige Speisezettel hier und da eine Wiederholung findet?“
    Das war also abgemacht, und ich teilte dem Tscha-juan unseren Entschluß mit.
    „Ihr tut wohl daran, und ich werde so für euch sorgen, als ob ihr meine Brüder wäret.“
    Er erhob sich. Ich dankte ihm für seine Gastlichkeit, und auch der Kapitän konnte nicht unterlassen, einen Dankversuch zu machen:
    „Richter, Freund und Gastgeber! Ich muß saging, daß mir noch niemals ein Essong so geschmeckt hat, wie das gegenwärtigeng. Wenn Ihr einmal auf meinang Schiffeng kommung wolltet, so würde ich mir Mühe gebeng, Revanche zu nehmang.“
    Der Richter lächelte und nickte ihm für diese Worte, deren Sinn er erriet, sehr freundlich zu und entfernte sich dann. Hierauf brachte uns der Diener Tabak, Pfeifen, Zigarren und Zigaretten, und da es noch nicht spät war, so beschlossen wir, noch gemütlich zu schmauchen.
    Noch waren nicht zehn Minuten vergangen, so wurde uns ein Mann gemeldet, welcher uns zu sehen wünschte. Es war der Besitzer eines Kleiderladens. Er prägte unsere Körperverhältnisse seinem Gedächtnis ein und brachte bereits nach einer Viertelstunde zwei Anzüge, zu denen der Diener dann noch Zopf, Fächer und zwei Mandarinenhüte gesellte, von denen der eine einen vergoldeten und der andere einen Knopf von Kristall hatte. Der erstere war für den Kapitän und der letztere für mich bestimmt. Ich sollte als Mandarin fünfter und Turnerstick als ein solcher neunter Klasse gelten.
    „Wollen wir anprobieren, Charley?“ fragte letzterer.
    „Zeit haben wir.“
    „Well, greift zu!“
    Wir legten die Gewänder an und steckten einander die langen, falschen Zöpfe an den Kopf. Als ich vor den Spiegel trat, mußte ich hellauf lachen, und auch der Kapitän kam vor Lachen kaum wieder zu Atem.
    „Charley, sagt einmal aufrichtig, sehe ich auch so abenteuerlich aus wie Ihr?“
    „Natürlich! Ihr kommt mir vor wie eine Marionette, wie ein Kasperl oder Harlekin, den man chinesisch angezogen hat.“
    „Ganz dasselbe ist auch bei Euch der Fall. Aber unsere Bärte passen nicht.“
    „Hier ist ja alles, was wir brauchen, auch Bartwichse, wie es scheint. Wir können uns also helfen.“
    „Was tun wir mit unseren Kleidern? Der Tausch würde mir denn doch nicht ganz behagen.“
    „Wir übergeben sie dem Tscha-juan, der sie uns nach Hongkong besorgen muß.“
    „Well, das ist das beste. Nun aber wollen wir schlafen, damit wir morgen beizeiten fertig sind!“
    Wir gingen zur Ruhe, und wie während der ersten Nacht in Hongkong hatte ich wieder im Schlaf mit allerlei wunderlichen Gestalten zu tun. Eine Menge von Lung-yin in Krokodilsgestalt und mit Mandarinenhüten auf den Köpfen sperrten die Rachen auf, um mich zu verschlingen; Kong-ni hatte Pferdehufe, Hörner und einen Schwanz bekommen und streckte seine teuflischen Krallen nach mir aus; der Kiang-lu war ein riesiger Haifisch mit Drachenflügeln; er kam auf mich zugeschossen und verschlang mich, und als ich durch seinen Rachen glitt, sah ich unsern Wirt die Hände freudig zusammenschlagen, und neben ihm stand Mejuffrouw Hanje Kelder und schrie: „Hebt niet Angst, Mynheer, de Haai wird gij niet in de Gorgel behalten!“
    Als ich erwachte, war es noch früh am Morgen, und aus dem Nebenzimmer ertönte das laute Schnarchen des Kapitäns. Vom Fenster aus bemerkte ich, daß die beiden Palankins bereits im Hof standen. Ich weckte den Kapitän, und wir zogen unsere Mandarinengewänder an.
    Da wir die Fenster öffneten, bemerkte man, daß wir erwacht

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