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330 - Fremdwelt

330 - Fremdwelt

Titel: 330 - Fremdwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Gebrüll ihrer Motoren verebbte nach und nach. Die Segel der FUCKING WAASHTON blähten sich, die Küste glitt vorüber. Johnny und Peewee standen im Ruderhaus. Ayris Grover lag unter Deck in ihrer Koje. Wahrscheinlich heulte sie noch immer.
    Brainless Kid hockte bis zum Abend auf dem Dach des Ruderhauses. Er rauchte ein Pfeifchen nach dem anderen. Jetzt hatten sie schon zwei Witwen an Bord. Brainless Kid hielt das für ein ganz schlechtes Omen. Irgendwie kam er an diesem Tag nicht wirklich gut drauf.
    Zwei Tage später, gegen Abend, erreichten sie die Flussmündung, an der sie sich mit Trashcan Kid und den anderen verabredet hatten. Monsieur Marcel und Lady Captain hatten eine Karte dabei, auf der sie diesen Treffpunkt ausgeguckt hatten. Die anderen warteten schon bei ihren Maschinen.
    Noch nie hatte Brainless Kid eine Landschaft wie diese gesehen. Der Dschungel wucherte hier bis ans Mündungsdelta, ja bis ans Meer. Und Bäume und Büsche sahen so fremdartig aus, dass Brainless Kid es fast schon wieder lustig fand. Sonst fand es niemand lustig.
    »Ist das nicht unheimlich hier?«, fragte Johnny, als sie am nächsten Morgen zu Ozzie auf die Maschine stieg. »Schaut euch nur mal die Bäume an – warum sind die bloß so merkwürdig schräg?«
    »Irgendwie nicht normal.« Loolas Motor lief schon. Sie steuerte das Trike an die Spitze der kleinen Kolonne. Die verheulte Lady Captain hinter ihr sagte gar nichts. Sie interessierte sich nicht für Landschaften und solche Sachen.
    »So wie es die Maschinenkerle gesagt haben«, meinte Peewee auf Monsieur Marcels Maschine. »Alles ist wie verzerrt. Ich dachte, die hätten nicht alle Latten am Zaun, aber es stimmt.« Sie deutete auf zwei Kreaturen im Gestrüpp auf der anderen Uferseite des Flusses, die man mit viel Phantasie für Hängebauchschweine halten konnte. »Sogar die Tiere hat’s erwischt.«
    »Gefällt mir nich!« Trashcan Kid war im Begriff, den Motor seines Trikes anzukurbeln. »Komme mir vor, als hätte ich einen Knick in der Optik!« Der Motor sprang an, Trashcan Kid schwang sich auf den Fahrersitz. »Auf geht’s! Vielleicht wird’s besser, wenn wir ein Stück in den Urwald hineinfahren!«
    Brainless Kid machte es sich auf dem Beifahrersitz bequem. Was die anderen bedrückte, fand er gar nicht so schlimm.
    ***
    Frühling 2528
    Wie zu alten Zeiten zivilisierte Menschen in ihren mit Wegweisern und Verkehrszeichen zugestellten Städten, so zielstrebig und schnell bewegten sich die Indios durch den Dschungel. Mit traumwandlerischer Sicherheit fanden sie Wildpfade, schlugen Breschen durch dichtestes Unterholz oder balancierten auf gefällten Bäumen über reißende Flüsse. Geredet wurde kaum, die Verständigung beschränkte sich auf wenige Handzeichen.
    Die Luft war feucht und heiß, der Schweiß quoll Matt aus allen Poren. Auch Xij sah aus wie geduscht, das nasse Haar klebte ihr an Wangen und Stirn. Nach vier Stunden Marsch durch den Dschungel schmerzten dem Mann aus der Vergangenheit die Augen von all den verzerrten und verkrümmten Linien, verformten Körpern und in die Schräge gezogenen Flächen, die sein Hirn verarbeiten musste.
    Als sie einen Wasserfall entlang den Hang zu einer Felskuppe hinaufstiegen, tauchten plötzlich Dutzende weiterer Indios aus dem Unterholz auf. Einige sprangen auch von Baumkronen oder krochen aus Erdlöchern. Keiner war darunter, der auch nur annähernd symmetrisch erschien und – abgesehen von seinem aufrechten Gang – auf Anhieb einem Menschen ähnelte.
    Zuerst interessierten sich alle nur für den Jaguar, danach hefteten sich die Blicke der verzerrten Dschungelbewohner auf Matt und Xij. Wenige zeigten sich scheu und hielten Distanz zu dem Paar, die meisten aber kamen näher, begafften oder betasteten sie. Und sie bestürmten den Schiefhals – Matt hatte sich entschlossen, ihn Workel zu nennen – mit Fragen. Der Hüne gestikulierte und redete ohne Unterlass.
    »Jetzt prahlt er damit, wie er den Jaguar und uns vom Baum gepflückt hat«, sagte Matt missmutig.
    »Das Dorf kann nicht mehr weit sein«, meinte Xij. »Was uns da wohl erwartet? Ich habe ein richtig schlechtes Gefühl.«
    Matt ging es nicht besser, doch er schwieg. Der Hang wurde flacher, Holzpfähle zeigten sich zwischen den Baumstämmen und dann traten sie auf eine Rodung von etwa zwanzig Metern Breite. Der schloss ich eine Palisade aus nur grob bearbeiteten Stämmen an. Durch ein Tor zog die Kolonne der Indios mit Matt und Xij und dem Jaguar in ein Dorf aus lauter

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