330 - Fremdwelt
Pfahlhütten, eine krummer als die andere. Unmöglich, dass sie so erbaut worden waren; auch sie mussten von dem entarteten Tor verzerrt worden sein.
Auf einem weiten Platz inmitten der Hütten hielten sie an. In kürzester Zeit umringten an die Hundert Indios die Neuankömmlinge, darunter viele Frauen und Kinder. Geschnatter, Gelächter und Palaver erfüllten die Luft. Unzählige Hände befingerten erst den Jaguar, dann Matt und Xij.
Xij Hamlet schnitt eine finstere Miene, und die Knöchel an ihren um den Kampfstab geklammerten Fäusten traten weiß hervor. »Beherrsch dich«, raunte Matt Drax ihr zu. »Ich wage mir nicht vorzustellen, was passiert, wenn du zuschlägst.«
»Mach dir keine Sorgen, ich bin nicht lebensmüde«, knirschte Xij, denn einige Halbwüchsige strichen ihr auch über die Schenkel und Brüste. Um sich abzulenken, fragte sie: »Meinst du, diese Leute haben geistig Schaden genommen?«
»Durch die Verzerrung?« Matt nickte; auch er hatte diesen Eindruck gewonnen. »Anzunehmen, dass das entartete Tor ihre Körper nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich verzerrt hat.«
Xij wich vor den Halbwüchsigen zurück, die jetzt damit anfingen, ihre Kleider und Haut mit den Lippen zu erkunden. »He, lasst das!«
Auf einmal ging eine Bewegung durch die Menge und eine Stimme wurde laut, die wie das Gebell eines Hundes klang. Die Indios wichen auseinander, bildeten eine Gasse, durch die Workel heranwalzte. Ohne Vorwarnung schlug er auf die Halbwüchsigen ein, die Xij befingerten.
Als die jungen Indios im Gras lagen, klopfte er an seine schräge Brust, sah über die verzerrten Köpfe der anderen hinweg und brüllte ein paar Worte, die Matts Translator nur unzureichend übersetzte; sie liefen im Grunde darauf hinaus, dass Workel den Nächsten totschlagen würde, der es wagen sollte, sein hübsches kleines Beutefrauchen anzurühren.
Xij erblasste und ihre Augen wurden sehr schmal. Matt schob sich zwischen sie und den Schiefhals. Plötzlich verstummte das Getuschel und Geflüster, und wieder öffnete sich eine Gasse in der Menge. Jemand knurrte und schmatzte und dann schlurfte eine massige Gestalt heran, krumm und bucklig und behaarter als alle anderen hier.
Schiefhals Workel trat zur Seite, blickte zu Matt und Xij und stieß einen Laut aus, den Matts Translator mit »Chef« übersetzte.
Drei Schritte vor ihm und Xij blieb der Dicke stehen. Seinen verzerrten Oberkörper bedeckten dichte braune Locken und an den krummen Beinen wedelte etwas, das einmal eine Hose gewesen war; eine Armeehose, wie es aussah. Sein schiefes Gesicht war lang und vollkommen asymmetrisch, der schnabelartige Mund klein, schwärzlich und wulstig, die rechte Schulter viel höher als die linke, die Arme extrem lang. Die Gestalt erinnerte Matt Drax sofort an ein Faultier.
Zum Glück verzichtete der Bursche auf eine Begrüßung mit Handschlag. Er nickte nur und sagte: »Chef.«
»Freut mich … Sir.« Matt versuchte mit Freundlichkeit weiterzukommen. »Mein Name ist Maddrax, das hier ist meine Gefährtin Xij. Ihre Jagdgruppe hat uns freundlicherweise vor der Raubkatze gerettet und durch den Dschungel bis hierher geleitet. Wenn Sie nichts dagegen haben, werden wir ein paar Stunden bei Ihnen ausruhen und danach … danach …«
Er verstummte, als sein Blick auf den linken, weit herabhängenden Arm des haarigen Faultier-Menschen und dann auf die dazugehörige Klaue fiel. Oder genauer: auf das, was er damit festhielt. Der Anblick mutete so bizarr an, dass Matt den Faden verlor.
Es war ein Teddybär. Ein blauer Teddy mit weißem Bauch und altrosa Schnauze und Ohren. Und vollkommen ohne jede Spur einer Verzerrung.
Faultier schien seinen Blick und sein Schweigen zu missdeuten. »O ja«, seufzte er. »Ja, ja.« Er hob die Linke und streckte den kleinen blauen Teddy in die Luft. Und dann lauter: »Chef!«
Wie eine Orkanböe rauschte es durch die Menge der Indios: Alle gingen in die Knie, etliche warfen sich auch auf den Bauch. Manche schmatzten andächtig, manche murmelten in sich hinein, andere stöhnten auf, als hätte schmerzhafter Paarungstrieb sie jäh ergriffen.
Faultier aber griff nach der Kordel, die aus dem Bauchnabel des niedlichen Teddys baumelte, und zog daran – sehr langsam und sehr behutsam. Im Inneren des Stofftiers sirrte es. Dann brummte Faultier: »Chef« und hörte auf, an der Kordel zu ziehen.
Matt spürte, wie Xij nach seiner Hand tastete, und es kam ihm vor, als würden alle hier auf dem Dorfplatz
Weitere Kostenlose Bücher