330 - Fremdwelt
die Trikes zu schieben oder Gehölz wegzuräumen war. »Anschieben und Holz wegschaffen kann jeder Trottel«, sagte Trashcan Kid. »Selbst wenn er stoned ist.« So ein Benehmen gefiel Brainless Kid gar nicht. Und die Arbeit noch viel weniger.
Am dritten Tag begann es zu regnen. Brainless Kid hatte Mühe, sein Pfeifchen anzuzünden. Und wenn das Kiff endlich glühte, hatte er Mühe, es am Brennen zu halten.
Gegen Mittag ließ Loola, die wie meist an der Spitze fuhr, ihre Maschine quer über den Weg schliddern, stoppte und stieg ab. Mit vor der Brust verschränkten Armen wartete sie, bis auch die anderen drei Motoren Ruhe gaben.
»Wasis?«, rief Trashcan Kid.
»Wir kehren um«, sagte Loola. Ihr enger, abgeschabter Lederanzug war über und über mit Schlamm bespritzt, das nasse Haar klebte ihr an Hals und Wangen.
»Sonst noch Vorschläge?« Trashcan Kid tippte sich an die Stirn.
Loola rührte sich nicht von der Stelle. Nach und nach versammelten sich alle bei ihrer Maschine. Auch Brainless Kid. Loolas schönes Gesicht kam ihm hart und entschlossen vor. »Nein«, sagte sie, »nur diesen. Und das ist kein Vorschlag. Wir kehren um. Punkt.« Trotzig schob sie ihr Kinn vor.
»Is doch Schwachsinn! Noch ein Tag oder zwei und wir stehen vor dieser Pyramide!« Trashcan Kid blickte in die Runde, wunderte sich wahrscheinlich, weil niemand sonst Loola widersprach. »Hör mal, Schätzchen.« Trashie versuchte es auf die weiche Tour. »Wegen ein bisschen Regen werden wir doch nich gleich wieder kehrt machen wollen.«
»Es ist nicht der Regen«, sagte Loola. »Guck dich doch mal um. Schau dir die verzerrten Baumkronen an, die verdrehten Stämme, das zerfaserte Gestrüpp. Ich hab Angst.«
»Aber Schätzchen …«, er ging zu ihr, legte den Arm um sie, drückte sie an sich, »… ich bin doch bei dir.«
»Leck mich. Wir kehren um.«
»Wie wäre es, wenn wir erst einmal eine Hütte bauen«, piepste Peewee. »Darin können wir das Ende des Regens abwarten. Und danach kehren wir um.«
Sie sah echt süß aus mit ihrer Stupsnase, ihrer nassen bronzefarbenen Haut und ihrem vom Regen plattgedrückten Krauskopf. Brainless Kid beneidete Monsieur Marcel. Um Peewee, und überhaupt um sein Talent, Frauen zu verführen.
»Recht haben sie«, schaltete sich nun auch Johnny ein. »Diese verzerrte Landschaft ist wirklich unheimlich. Und es wird immer schlimmer. Mich deprimiert das richtig.«
»Seid ihr bescheuert?« Trashcan Kid ließ Loola los, sprang erst zu Peewee, dann zu Johnny. »Orguudoo soll mich holen, wenn ich den ganzen Ärger, den ganzen Weg umsonst runtergerissen hab! Wir fahren weiter!«
Sprach’s, spuckte aus und stapfte mit grimmiger Miene zu seinem Trike. »Aufsteigen! Motoren anwerfen!«
»Was soll das, Sir Trashie?« Die Stimme der Soldatenwitwe klirrte vor Kälte. »Führen Sie sich hier nicht auf wie Sergeant Taratzenkönig!«
»Motoren an, sag ich!« Trashcan Kid stampfte mit dem Fuß auf. »Wird’s bald?!«
»Hören Sie nicht zu, Mister?« Die Soldatenwitwe blieb ganz ruhig. »Vier von uns wollen umkehren. Wenn Sie da keinen Gesprächsbedarf erkennen, erkläre ich Sie hiermit für disqualifiziert, was Führungsaufgaben betrifft!«
»Disqualifiziert« schien etwas zu bedeuten, das Trashie mächtig wehtat. Er setzte nämlich seinen bösesten Blick auf, kniff die Lippen zusammen und stand so reglos und steif, als hätte ihm gerade einer gezielt in die Stiefel gepisst.
Das gefiel Brainless Kid richtig gut. Schon all die Tage beim Baumschleppen und Maschinenschieben hatte er davon geträumt, dass endlich mal einer den Mumm fand, Trashcan Kid den Mittelfinger zu zeigen. »Sauber«, murmelte er.
Trashcan Kid fuhr herum, blitzte ihn an, stürmte dann zu Ozzie und Monsieur Marcel. »Was is mich euch? Warum sagt ihr nix?«
»Niemand möge misch verdäschtigen, eine Demokrat zu sein – um Himmels willen!« Monsieur Marcel machte eine abwehrende Handbewegung. »Abär mit quatre Reiseunwilligen zu reisen, scheint mir, nun ja, nischt sehr klug zu sein. Zumal es sich um quatre Mesdames handelt.«
»Schon wahr, Trashie«, meldete sich notgedrungen zuletzt auch Ozzie zu Wort. »Und dann all das verzerrte Grünzeug hier – da geht ei’m doch die Muffe mit der Zeit.«
Trashcan Kid sog scharf die Luft durch die Nase ein. Dann drehte er sich um und deutete auf Brainless Kid. »Und du, Paulie?«
»Verzerrt?« Brainless Kid blickte zu den Baumkronen hinauf. Sicher – normal sahen die nicht aus. Aber ihn störte das
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