335 - Der verlorene Sohn
es gegen die Pest vom Kratersee ging. Doch wo war die Allianz, als mein Volk starb? Und wo war sie danach? Überall auf der Welt verstreut gibt es nur noch klägliche Überreste meines einst so stolzen Volkes. Wenige Hundert in dieser Stadt, noch weniger in der nächsten. Aber sind wir gut gelitten? Nein! Wie Parasiten behandelt man uns. Wir sind die gelben Heuschrecken, die Schmarotzer von der Insel.«
»Ihre Wut ist verständlich, doch mich zu zerstören, wird Ihrem Volk nicht helfen.«
Fudoh schüttelte den Kopf. »Sie verstehen mich völlig falsch, Mr. Takeo. Ich hege für Sie weder Hass noch Rachegedanken. Im Gegenteil, ich habe hier eine Enklave des Friedens errichtet, in der die unterschiedlichsten Menschen Seite an Seite leben. Technik – sieht man von den Verteidigungsanlagen gegen Wesen Ihrer Art ab – ist hier tabu. Sie, Mr. Takeo, stören diesen Frieden. Gleichzeitig beinhaltet Ihr mechanischer Körper aber auch Teile, die ich dringend benötige. Betrachten Sie das Ende Ihrer Existenz als Notwendigkeit, die einer höheren Sache dient. Auf lange Sicht helfen Sie damit tatsächlich meinem Volk. Das muss doch ein tröstlicher Gedanke für Sie sein.«
»Sie werden verstehen, dass ich Ihre Ansicht nicht teile.«
»Und Sie werden zweifellos verstehen, dass Ihnen keine Wahl bleibt. Ich muss noch einige Algorithmen überschreiben und Steuereinheiten anpassen, doch dann widme ich mich Ihrem Gedächtnischip. Die notwendigen Daten zur Bestimmung einzelner Bereiche besitze ich nach unserem Gespräch.«
Mit diesen Worten wandte General Fudoh sich ab und verließ ohne ein weiteres Wort das Labor.
***
Als die Tür des Labors mit einem Klacken ins Schloss fiel, begann Miki unverzüglich damit, seinen Rettungsplan in die Tat umzusetzen. Noch immer wurden alle elektronischen Abläufe, die in seinem Schädel stattfanden, auf einem der Monitore visualisiert, daher hatte er nicht früher beginnen können: Fudoh hätte sein Vorhaben sofort durchschaut. Erst jetzt konnte er ungestört arbeiten.
Einer seiner Sensoren empfing die Quellen von insgesamt fünf Interlink-Ports, die sich innerhalb des Labors befanden. Drei davon waren mit einem komplexen Zugriffscode blockiert, den zu knacken einige Zeit in Anspruch genommen hätte. Zwei weitere zeigten sich jedoch als ungeschützt, blinkten als grüne Symbole in seinem Gesichtsfeld auf.
Sollte es ihm gelingen, über diese Verbindungen auf die interne Datenbank des Labors zuzugreifen, erhielt er vielleicht Zugang zu weiteren angeschlossenen Computern und Maschinen. Ob und wie ihn das weiterbrachte, würde sich zeigen.
Miki Takeo aktivierte seinen Interlink und stellte eine Verbindung mit den offenen Ports her. Der Erste erwies sich als zuständig für die Steuerung der Klimaanlage des Raumes. Der Zweite war Erfolg versprechender: Er bot Zugriff auf einen Serververbund in unmittelbarer Nähe.
Der Android stellte den Kontakt her und erhielt durch ein ausgesandtes Feedback-Signal einen Überblick über das Netzwerk. Dafür, dass Fudoh in seiner Ansprache alle Technik verdammt hatte, verwendete er eine Menge davon zur Verwirklichung seiner Ziele. Wie auch immer die aussehen mochten.
Auf dem Computer mit dem unsicheren Interlink-Port fanden sich kaum verwertbare Informationen. Miki beschloss ein zusätzliches Wagnis einzugehen und eine direkte Verbindung zum Hauptserver herzustellen. Mit dem anderen Rechner als Zwischenstation sollte dies kein Problem darstellen.
Er verfolgte den Pfad weiter und etablierte eine Verbindung. Ein Fehler, wie er im gleichen Augenblick bemerkte. Die Firewall erkannte seinen Versuch als unautorisierten Zugriff – mit weitreichenden Folgen. Die Maschine generierte einen viralen Datenstrom und flutete damit seinen Zugangsport. Bevor Miki etwas dagegen unternehmen konnte, erreichte ein Computervirus seinen Gedächtnischip und nahm Zugriff auf dessen Funktionen.
Die Verbindung brach zusammen. Takeo versuchte zu retten, was zu retten war, doch der Virus drang unaufhörlich weiter vor. Mit seinem letzten klaren Gedanken begriff Miki, das er Fudoh erneut unterschätzt hatte.
***
Amarillo, 2527 (vor einem Jahr)
Seit mittlerweile zwei Jahren lebte Keran in Fudohs Enklave. Und der Jello hatte Wort gehalten: Er war von den Bewohnern mit offenen Armen aufgenommen worden. Ein Doc hatte ihn wieder zusammengeflickt, und nach und nach verblassten die Schrecken von Waashton.
Keran half auf den Feldern, besserte Straßen aus und stand sogar dem Einsatz von
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