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34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

Titel: 34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auf den sein Haß und seine Absicht der Rache vorzüglich gerichtet sein mußte. Darum erschien es mir nicht geraten, seinen Zorn absichtlich herauszufordern. Es war jedenfalls vorteilhafter für mich, anstatt zu schweigen, ihm seine Fragen zu beantworten.
    „Nun, Señor“, sagte er, „Sie nehmen jetzt diejenige aufrechte Stellung ein, welche Ihrer Würde angemessen ist, und werden nun wohl Ihre liebe Stimme hören lassen. Freuen Sie sich nicht ebenso wie ich über unsere jetzige Begegnung?“
    „Außerordentlich!“ nickte ich.
    „Sie geschah schneller, als Sie dachten. Ich hatte es Ihnen vorausgesagt. Sie wollten es mir aber nicht glauben. Jedenfalls haben Sie noch nicht vergessen, was Sie mir für den Fall eines nochmaligen Zusammentreffens angedroht haben? Sie sagten, daß Sie mich nicht so schonen würden wie bisher. Erinnern Sie sich dessen, Señor?“
    „Sehr gut.“
    „Nun aber ist es anders gekommen. Nicht ich befinde mich in Ihren Händen, sondern Sie sind in den meinigen. Erwarten Sie vielleicht Schonung von mir?“
    „Ich weiß nicht, was Sie Schonung nennen.“
    „Schonung ist's zum Beispiel, wenn ich Ihnen nicht das Leben nehme, Sie aber dadurch unschädlich mache, daß ich Ihnen eine Ladung Pulver in die Augen schieße. Was sagen Sie dazu?“
    „Sie werden weder das eine, noch das andere tun!“
    „Meinen Sie? Wie kommen Sie zu dieser ganz unbegründeten Ansicht?“
    „Dadurch, daß ich Sie nicht für ein wildes Tier, sondern für einen Menschen halte. Sie wissen sehr genau, daß nicht ich es bin, welcher die Schuld an den bisherigen Feindseligkeiten trägt.“
    „Ich doch wohl nicht! Sie sind ein Landesverräter und Mörder. Man muß Ihnen die Kugel oder den Strick geben!“
    „Sie selbst glauben nicht an die Anschuldigung, welche Sie aussprechen. Selbst wenn ich das, was Sie mir vorwerfen, getan hätte, wären Sie nicht zuständig und nicht berechtigt, über mich ein Urteil zu fällen oder gar dasselbe auszuführen.“
    „Was ich bin und was ich tun werde, das weiß ich selbst; Ihre Ansicht brauche ich da nicht, Señor. Damit Sie aber nicht in Zweifel bleiben über das, was Ihrer wartet, will ich es Ihnen mitteilen. Ja, ich hatte die Absicht, Sie erschießen zu lassen, denn es gab Gründe, Sie zu entfernen, und bei Ihrer Gewalttätigkeit war nicht anzunehmen, daß ich Sie glücklich bis hierher bringen würde. Nun wir uns aber hier befinden, so fällt es mir gar nicht ein, Ihnen das Leben zu nehmen. Sie werden Soldat, verstanden?“
    Diese letzteren Worte beruhigten mich außerordentlich. Wenn man mir das Leben ließ, so war ja alles gut. Was man sonst mit mir vorhatte, konnte mir sehr gleichgültig sein, denn ich wußte im voraus, was ich dagegen zu tun hatte. Freilich konnte ich mir nicht erklären, welche Gründe der Major gehabt hatte, mich am Rio Negro erschießen zu lassen, und welche anderen Gründe ihn jetzt hier am Uruguay veranlassen konnten, darauf zu verzichten.
    „Ich verstehe!“ antwortete ich.
    „Natürlich werden Sie sich bei mir für diesen Entschluß, den ich gefaßt habe, auf das herzlichste bedanken!“
    „Das kann mir nicht einfallen, denn Sie haben weder das Recht, mich erschießen zu lassen, noch dasjenige, mich unter die Soldaten zu stecken!“
    „Ich nehme es mir! Ich bin Ihr Kommandeur und werde Sie beim ersten Vergehen gegen die Subordination erschießen lassen!“
    „Ich bin Ihnen keinen Gehorsam schuldig!“
    „Und ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen, indem ich Ihre Angelegenheit dem General vortrage und diesen entscheiden lasse. Da ich überzeugt bin, daß er meine Bestimmungen bestätigen wird, so betrachte ich Sie bereits jetzt als Soldat.“
    „Und ich nehme nach wie vor an, daß ich Zivilist bin. Nur derjenige ist Soldat und kann wegen etwaiger Subordination bestraft werden, der zur Fahne geschworen hat.“
    „Das werden Sie sehr bald tun. Übrigens sind Sie es nicht allein, sondern Ihre sämtlichen Gefährten werden gezwungen, in unsere Reihen zu treten. Sie haben sich schon dazu bereit erklärt.“
    „Das ist nicht meine, sondern ihre Sache. Ich werde niemals meine Zustimmung geben.“
    „Sie werden sie geben, denn das ist der einzige Weg, auf welchem Sie Ihr Leben retten können. Was hindert mich, Sie gleich jetzt erschießen zu lassen? Nichts, gar nichts! Sie haben es nur meiner ungewöhnlichen Güte und Nachsicht zu verdanken, wenn ich es nicht tue. Diese Nachsicht haben Sie nicht verdient, und ich stehe soeben im Begriff, Ihnen

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