34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
dies mit meiner unbedeutenden Persönlichkeit zu tun?“
„Außerordentlich viel. Unser späterer Präsident hat seine Dispositionen in tiefster Verborgenheit zu treffen. Er hat Reisen zu unternehmen, von denen unsre Gegner nichts ahnen dürfen. Da gibt es Besuche, Konferenzen und dergleichen, welche nur im stillen abgehalten werden dürfen. Da man aber ahnt, was im Werk liegt, so beobachtet man ihn auf das allerstrengste. Darum müssen wir ein Mittel zu entdecken suchen, welches geeignet ist, diese lästige und gefährliche Aufmerksamkeit von ihm abzulenken. Wir haben es gefunden. Dieses Mittel sind – Sie, Señor.“
„Ich, ein Mittel? Schön! Aber wollen Sie mir auch sagen, welche Wirkung dieses Mittel haben soll?“
„Indem wir die Aufmerksamkeit unsrer Gegner von Latorre abziehen und auf Sie lenken.“
„Ah, jetzt beginne ich zu begreifen. Ihre Gegner sollen mich für ihn halten?“
„Ja.“
„Soll ich vielleicht seinen militärischen Rang einnehmen und seine bezüglichen Pflichten erfüllen, während er sich nach einem Ort zurückzieht, an welchem er unbeobachtet für Ihre Partei wirken kann?“
„Ihre Frage trifft die Wahrheit halb, zur anderen Hälfte geht sie über dieselbe hinaus. Seinen Rang können Sie nicht einnehmen; das ist sehr klar. Aber die Angelegenheit soll so arrangiert werden, daß Latorre sich einen Urlaub nimmt, um auf einer entlegenen Hazienda oder Estancia seine angegriffene Gesundheit zu kräftigen. Dorthin reisen Sie; dort tragen Sie seine Uniform; dort sind Sie ganz Latorre. Man wird alle Aufmerksamkeit auf Sie richten und dann finden, daß Sie in tiefster Einsamkeit nur allein Ihrer Gesundheit leben. Inzwischen geht Latorre incognito nach einer ganz anderen Gegend, wo er seine Anhänger sammelt, seine Pläne entwirft und dann zur geeigneten Stunde losbricht.“
„Und was wird aus mir zu dieser geeigneten Stunde?“
„Sie setzen Ihre unterbrochene Reise fort, nachdem Sie die eklatantesten Beweise unsrer Dankbarkeit empfangen haben.“
„Und worin werden diese Beweise bestehen? Meinen Sie irgendeine Bezahlung?“
„Bezahlung! Wer wird sich so eines Wortes bedienen! Nennen wir es Honorar, Dotation oder dergleichen. Bestimmen Sie die Höhe der Summe, welche Sie für zureichend halten, das Opfer zu ersetzen, welches Sie uns bringen.“
„Ich kenne die Art und die Größe dieses Opfers nicht. Es kann sich um eine kleine Zeitversäumnis, aber auch um mein Leben handeln, Señor.“
„Das letztere unmöglich!“
„O doch. Wenn der echte Latorre losbricht, können seine Gegner sich sehr leicht über den unechten heranmachen, um ihn ein wenig totzuschießen. Werde ich füsiliert, so bin ich nicht mehr imstande, mich der Dotation zu erfreuen, welche Sie mir so freundlich bewilligen wollen.“
Der Rittmeister hatte bisher seinen Vater sprechen lassen. Jetzt sagte er:
„Señor, fürchten Sie sich? Ich habe Sie für einen mutigen Mann gehalten!“
„Ich bin kein Feigling; das habe ich schon oft bewiesen und finde wahrscheinlich Gelegenheit, es auch fernerhin zu beweisen. Aber es ist zweierlei, das Leben für sich selbst, für die Seinigen, für sein Vaterland zu wagen oder es um Geldes willen für fremde Interessen auf das Spiel zu setzen. Was das Wagnis an sich betrifft, so wollte ich mich getrost für Latorre ausgeben und die Folgen ruhig erwarten. Ihre Gegner fürchte ich gerade so wenig, wie ich auch vor Ihnen keine Angst besitze. Brächte mich diese Angelegenheit in Gefahr, so traue ich mir Mut und List genug zu, derselben zu entkommen. Also die Rücksicht auf einen etwaigen Schaden, den ich erleiden könnte, ist es nicht, was mich verhindert, auf Ihre Offerte einzugehen.“
„Welchen anderen Grund hätten Sie dann?“
„Den, daß die Sache mir nicht gefällt. Ich hasse die Unwahrheit, die Lüge, und einer großen, ungeheuern Lüge würde ich mich schuldig machen, wenn ich Ihren Wunsch erfüllte.“
„Aber es ist für die gute Sache!“
„Jeder andere würde mir ganz dieselbe Versicherung geben.“
„Señor, Sie sind sehr schwer zu bekehren!“
„Weil ich überhaupt nicht bekehrt sein will.“
Bei diesen Worten stand ich auf. Der Kaufmann ergriff schnell meinen Arm, zog mich auf den Sitz nieder und sagte:
„Handeln Sie nicht zu schnell, Señor! Sie bleiben mein Gast auf alle Fälle, selbst wenn die Hoffnungen, welche wir auf Sie setzten, nicht erfüllt werden. Ich zweifle übrigens noch nicht daran, daß wir dennoch einig werden. Vielleicht wissen
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