34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
Sie nicht, welche Gegenleistung Sie von unsrer Dankbarkeit erwarten dürfen. Es sind reiche, sehr reiche Männer unter uns, und der Vorteil, welchen Ihre Ähnlichkeit mit Latorre uns bietet, ist so groß, daß Sie durch die Annahme meines Vorschlags geradezu Ihr Glück machen können.“
„Was nennen Sie Glück?“
„Als Kaufmann verstehe ich unter dem Ausdruck ‚sein Glück machen‘ die Erlangung großer geschäftlicher Vorteile, also besonders die Erwerbung einer Summe Geldes von so bedeutender Höhe, daß man für die Lebenszeit aller Sorgen enthoben ist. Sagen Sie mir, welche Summe Sie verlangen!“
„Gar keine. Ich sehe mich ganz außerstande, Ihnen den gewünschten Dienst zu erweisen.“
„Hoffentlich ist das nicht Ihr letztes Wort in dieser Angelegenheit, welche Ihre ganze Zukunft bestimmen kann.“
„Mein Entschluß lautet nicht anders, und ich pflege solche Entschlüsse niemals aufzugeben.“
„Dennoch bitte ich Sie, sich die Sache doch noch zu überlegen. Ich will jetzt nicht näher in Sie dringen. Sie haben heute abend Gelegenheit, uns kennenzulernen. Wenn Sie sich dann meinen Vorschlag beschlafen, so werden Sie mir morgen früh gewiß Ihre Zusage erteilen.“
Ich wollte eine Gegenbemerkung machen; aber er stand auf und wehrte mir mit den Worten ab:
„Bitte, sagen Sie jetzt nichts mehr! Sie wissen nun, um was es sich handelt. Bis morgen wird Ihnen wohl der bessere Entschluß kommen. Ich sehe, daß man die Lichter anbrennt. Die Gäste werden jetzt kommen. Begeben wir uns in das Haus.“
Es war beinahe dunkel geworden. Wir befanden uns im Oktober, also im südamerikanischen Frühling, wo die Abende zeitig anbrechen. Vom Haus her flimmerte Lichterschein. Die berühmte Tertulia sollte beginnen. Darum begaben Vater und Sohn sich nach den Gesellschaftsräumen; ich aber suchte meine Stube auf, um nicht der erste der Gäste zu sein. Vorher aber ging ich zu einem Bäcker, welcher nebenan wohnte, wie ich bemerkt hatte, und kaufte mir ein Schwarzbrot, wie es hier von den armen Leuten gegessen wird. Mit demselben begab ich mich in den Stall, um mein Pferd zu füttern.
Der Knecht war anwesend. Er wunderte sich nicht wenig, als er das Brot sah und daß ich es zerschnitt und dem Pferd gab. Auch für das Tier war diese Gabe etwas ganz Ungewohntes. Es fraß und rieb dabei den Kopf dankbar an meiner Schulter. Jedenfalls war es das erstemal, daß es bei einem Menschen Liebe fand. Als ich es streichelte, wieherte es freudig auf. Ich war überzeugt, daß es mir gelingen werde, es an mich zu gewöhnen.
Das Zimmer, welches ich mir ausgewählt hatte, lag nach dem Hof zu. Es hatte zwei Fenster, zwei wirkliche Fenster mit Glasscheiben, ein Luxus, auf welchen der Reisende zu verzichten bald gezwungen ist. Es gab da ein gutes Bett, einen Tisch und einige Stühle. Auf einem der letzteren stand ein breiter Wassertopf, und dabei lag ein feines, weißes Taschentuch. Beides stellte das Waschgeschirr vor. Anstatt des Sofas gab es eine Hängematte, welche an zwei Mauerringen hing. Auf dem Tisch lag ein Karton mit Zigaretten. Das war eine dankenswerte Aufmerksamkeit des Wirtes gegen mich. Freilich rührte ich die kleinen Dinger nicht an. Ein wirklicher Raucher, wenn er nicht Südamerikaner ist, mag von Zigaretten nichts wissen. Er will Tabak haben, aber nicht Papier.
Zu meiner Genugtuung bemerkte ich, daß sich an der Tür ein Nachtriegel befand. Ich hegte natürlich nicht das geringste Mißtrauen gegen die Bewohner des Hauses; aber ich dachte an den falschen Polizeikommissar, der sich höchst wahrscheinlich nun auch hier im Städtchen befand. Er hatte bei Rixio gelernt und kannte also die Räume des Gebäudes ganz genau. Vielleicht kam er auf den Gedanken, mir einen nächtlichen Besuch zu machen. Das konnte durch den Riegel verhütet werden.
Ich hatte ein Rindstalglicht brennen, welches auf dem Tisch stand. Eben war ich beschäftigt gewesen, den Riegel hin und her zu schieben, um mich von der Brauchbarkeit desselben zu überzeugen, da sah ich, mich umwendend, ein Gesicht, welches zum Fenster hereingeblickt hatte und jetzt so schnell verschwand, daß es mir unmöglich war, die Züge desselben zu erkennen. Ich vermochte nicht einmal zu sagen, ob es ein männliches oder ein weibliches sei.
Ein Sprung brachte mich zum Fenster. Es war verquollen, vielleicht seit langer Zeit nicht geöffnet worden, daß es mir schwer gelang, den einen Flügel aufzumachen, und als ich dann in den Hof blickte, sah ich keinen Menschen. Es war
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