34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
zwar die Spitze des eingebogenen Daumens nach aufwärts gerichtet, einen Hieb von unten herauf in das Gesicht, welcher ihm das Nasenfleisch abschälte. Der Kerl flog weit über den Platz hinüber und stürzte dort zu Boden. Er raffte sich zwar sogleich wieder auf, blieb aber doch halb betäubt stehen, bedeckte die Nase mit den Händen und ließ ein fürchterliches Gebrüll hören. Niemand regte sich, ihm zu Hilfe zu kommen; ja man schien ihm diese kräftige Zurechtweisung zu gönnen. Der Verräter pflegt zwar Bezahlung, niemals aber Dank zu erhalten. Selbst der Major gab mir nur einen verhältnismäßig milden Verweis:
„Was fällt Ihnen ein, Señor! In meiner Gegenwart sich an diesem Mann zu vergreifen!“
„Er mag mich in Ruhe lassen! Hat er hier zu bestimmen oder Sie? Ich will nicht unschuldig sterben und mich vorher noch von diesem Schurken verhöhnen lassen.“
„Unschuldig, Señor! Streiten wir nicht. Die Viertelstunde ist vergangen. Ich werde Sie selbst binden, und zwar gleich an den Baum. Kommen Sie!“
„Haben Sie schon diejenigen bestimmt, welche mich erschießen sollen?“
„Das werde ich gleich tun.“
„So will ich nur noch meinem Kameraden die rechte Hand geben.“
Ich umarmte den Yerbatero, welcher jetzt aufrecht stand, und raunte ihm dabei in das Ohr:
„Ich schleudere Ihnen ein Messer zu. Haben Sie Acht, und sehen Sie, ob Sie mit demselben den Riemen auseinander bringen können!“
Nun öffnete sich der Kreis, und der Major führte mich nach dem Baum. Ich sah in keinem Auge Mitleid. Das Erschießen eines Mannes war für diese Leute ein Schauspiel, welches ihre Nerven nicht aufregen konnte. Ich lehnte mich an den Baum. Der Major hatte das Tuch und den Riemen aufgehoben, welcher Mateo bei meinem Hieb aus der Hand gefallen war.
„Also Señor“, sagte er, „der ernste Augenblick beginnt. Ich hoffe nicht, daß Sie zittern werden!“
„Schwerlich! Darf ich noch erfahren, was Sie mit meinem Eigentum beginnen werden?“
„Das wird der Oberbehörde eingesandt. Sie brauchen ja jetzt weder Uhr noch Geld. Legen Sie die Hände nach hinten um den Baum!“
Er hielt den Riemen bereit. Noch waren die Füsiliere nicht bestimmt. Keiner hatte die Flinte schußfertig in der Hand, und die Lanzen und Bolas hingen an den Sattelknöpfen. Es war der geeignete Augenblick gekommen, und ich sah das Auge Montesos mit erwartungsvoller Angst auf mich gerichtet. Er hielt mich für verloren.
„O doch, Señor“, antwortete ich. „Ich brauche beides so notwendig, daß ich es mir jetzt ausbitten werde.“
Er sah mich erstaunt an.
„Wie meinen Sie das, Señor?“
„So ungefähr in dieser Weise. Passen Sie auf!“ Ich griff in die Brusttasche seines Frackes und riß ihm diesen Teil der Uniform, in welchem sich die beiden mir gehörigen Gegenstände befanden, vom Leib. Den Uniformfetzen mir unter den Gürtel schieben und ihm die Messer aus dem seinigen ziehen, das war das Werk desselben Augenblicks. Eins der Messer nahm ich zwischen die Zähne, und das andere schleuderte ich an die Stelle, an welcher Monteso stand.
„Aber Señor, was –“ schrie der Major. Er kam nicht weiter. Ich hatte ihn beim Kragen – ein Ruck – noch einer – und noch einer – ich sprang mit ihm in das tiefe Wasser des Flusses, wo ich ihn losließ. Ehe sich das Wasser über mir schloß, hörte ich den vielstimmigen Schrei der Bolamänner. Das war so blitzschnell gegangen, daß keiner von ihnen Zeit gefunden hatte, dem Anführer zu Hilfe zu kommen. Ja, dieser selbst war so überrascht gewesen, daß er nicht ein Fingerglied bewegt hatte, um sich meiner zu erwehren.
Den Hut hatte ich mir schon vorher so fest auf den Kopf gedrückt, daß er mich nicht von den Wellen genommen werden konnte. Den Major hatte ich mit in den Fluß gerissen, um die Seinen von meiner Verfolgung abzulenken, denn es war vorauszusehen, daß sie sich erst bemühen würden, ihn aus dem Wasser zu ziehen. Ich tauchte also unter und strich unter der Oberfläche aus Leibeskräften aus. Als ich zum erstenmal Atem fassen mußte und zu diesem Zweck in die Höhe kam, wurde mir doch der Hut genommen. Bevor ich ihn fassen konnte, vergingen einige Augenblicke. Da krachten mehrere Schüsse; wüstes Geschrei erscholl hinter mir vom Ufer her, und ein harter, schwerer Gegenstand flog klatschend neben meinem Kopf in das Wasser. Zugleich erhielt ich einen sehr kräftigen Hieb an die Schulter.
Es war eine Bola gewesen; eine der drei Kugeln derselben hatte mich getroffen.
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