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34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

Titel: 34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gewesen waren, und da war er denn doch zu dem Entschluß gekommen, sich lieber zu ergeben. Auf der Rückkehr hatten sie mich erblickt und sofort Jagd auf mich gemacht.
    „Aber“, fragte ich den Frater, „warum veranlaßten Sie mich denn, hier in den Hof einzubiegen? Warum riefen Sie mir zu, daß ich ins Verderben reiten werde?“
    „Weil sich Ihnen jenseits des Rancho ein Flüßchen in den Weg gelegt hätte, über welches Sie nicht gekommen wären. Es mündet dort in den Negro.“
    „Nun, wenn ich über diesen letzteren gekommen bin, hätte ich wohl auch durch dieses Flüßchen reiten können.“
    „O nein. Die Ufer desselben sind außerordentlich sumpfig. Sie wären steckengeblieben und Ihren Verfolgern in die Hände gefallen. Es gibt nur wenige schmale Stellen, welche passierbar sind, und diese kennen Sie ja nicht. Nun sind Sie doch gerettet.“
    „Wenigstens einstweilen. Ich traue diesen Bolaleuten nicht. Ihr Anführer hat zwar sein Ehrenwort gegeben, daß er keine weitere Feindseligkeit unternehmen will, aber ich denke, er ist nicht der Mann, welchem man zutrauen kann, daß er sein Versprechen halten werde. Am liebsten möchte ich selbst einmal hinunter zum Fluß reiten, um mich zu überzeugen, daß sie in Wirklichkeit fort sind.“
    „Das wäre nur Zeitverschwendung; bleiben Sie ruhig hier! Sie befinden sich von jetzt an in vollständiger Sicherheit. Diese Leute sehen sich verraten. Der Boden brennt ihnen unter den Füßen, und sie werden sich gewiß beeilen, schleunigst über den Uruguay zu kommen.“
    „So halten Sie sie für Argentinier?“
    „Ja. Sie sind herübergekommen, um hier zu remontieren, das heißt, Pferde zu stehlen. Ich glaube nicht, daß ich mich irre. Nun müssen sie gewärtig sein, daß wir Militär aus Mercedes holen. Darum fordert die Sorge für ihre eigene Sicherheit, daß sie sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen.“
    Jetzt ließ sich in der Nebenstube ein Ruf vernehmen. Der Frater stand auf und ging hinaus. Als er nach einiger Zeit wiederkam, teilte er mit mir, daß der kranke Oheim mich zu sehen wünsche. Der Patient hatte gehört, daß Ungewöhnliches vorgegangen sei und danach gefragt. Als er hörte, daß ein Deutscher da sei, hatte er dringend verlangt, mit demselben reden zu dürfen, da er, außer aus dem Mund seiner Verwandten, lange Zeit kein deutsches Wort gehört habe.
    „Tun Sie ihm den Gefallen, Señor!“ bat der Frater. „Der Ärmste befindet sich fast unausgesetzt in einem Zustand tiefster Grübelei. Er leidet an seelischer Pein, und es ist mir bisher nicht gelungen, ihn von derselben zu befreien. Vielleicht ist es Ihnen möglich, erlösenden Eindruck auf ihn zu machen.“
    „Setzen Sie nicht eine solche Hoffnung auf mich! Ich bin überzeugt, daß Sie enttäuscht sein werden.“
    „O, ich stelle ja gar nicht das Verlangen an Sie, in der Weise eines geistlichen Beraters zu ihm zu sprechen. Ich habe aber erfahren, welchen Eindruck das unerwartete Zusammentreffen mit einem Landsmann, zumal auf einen Kranken, zu machen vermag. Die Mitteilung, daß ein Deutscher sich hier befinde, erweckte ihn aus seiner Versunkenheit. Er hat nur noch kurze Zeit zu leben; ich befürchte sogar seine baldige Auflösung. Wenn der Tod anklopft, so öffnet sich selbst das verschlossenste Herz. Es kam mir ganz so vor, als ob es nicht bloß die Landsmannschaft sei, deretwegen er Sie sehen will.“
    Es verstand sich ganz von selbst, daß ich den Wunsch des Kranken erfüllte. Ich begab mich in die Nebenstube. Diese stellte das vor, was man in einigen Gegenden Deutschlands die ‚gute Stube‘ zu nennen pflegt. Sie war besser möbliert als die vordere. Ich sah sogar ein Harmonium dastehen. Es hatte den ersten Gewinn bei einer zu mildtätigem Zweck in Montevideo veranstalteten Lotterie gebildet. Der Ranchero war zufällig dort anwesend gewesen, hatte einige Lose genommen und das Instrument gewonnen. Nun stand es als Luxusmöbel da, denn niemand besaß hier die Fertigkeit, es zu spielen.
    Der Landsmann ruhte in einem sauberen Bett. Die Augen lagen ihm tief in den Höhlen, und die Wangen waren eingefallen. Seine hohe Stirn lief in einen haarlosen, glänzenden Schädel aus, und die Lippen bogen sich tief in die zahnarme Mundöffnung ein. Dadurch erhielt das Gesicht das Aussehen eines Totenkopfes. Es war, als ob der Mann jetzt eben zum letzten Mal atmen dürfe.
    Als ich grüßte, antwortete er nicht sofort, und sein Blick richtete sich unruhig forschend auf mein Gesicht. Vielleicht

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