34° Ost
startklar zu machen. Man brauchte die Leute nur ein bisschen auf Trab zu bringen. Aber er beschloß, die vier Piloten vorderhand in ihren Cockpits am Boden zu lassen. Im Nahkampf konnte es ein Shrike mit jedem Schiff der Guevara-Klasse aufnehmen.
»Echo Sierra Control, hier Speerwerfer. Negativ zu Staffeleinsatz. Lassen Sie das Radar die Spuren aufzeichnen. Ich fliege jetzt los.«
Er betätigte die Klappen und spürte, wie das Flugzeug die überschüssige Geschwindigkeit abbaute. Jetzt konnte er das Schiff wieder sehen, dessen Silhouette sich schwarz vom Dunkelblau des Meeres abhob. Wasser sprühte vom Bug, als es seine Geschwindigkeit erhöhte, abdrehte und Kurs auf die offene See nahm. Diesmal nicht, ihr roten Schweine, dachte er. Heute wird nicht geschnüffelt und davongerannt.
Er ließ die Flugeigengeschwindigkeit weiter absinken. Bei 350 Stundenkilometern öffnete er die Luftkissendüsen im Rumpf und ließ die Maschine langsam auf eine Höhe von fünfzehn Meter über dem ruhigen Wasser absacken.
Er ging näher heran und flog neben dem russischen Kriegsschiff her. Auf dem Brückenflügel standen ein paar Matrosen am Rundsuchradargerät. Trask kreuzte quer vor den Bug und zeigte damit unmissverständlich an, das Schiff möge wieder auf ursprünglichen Kurs gehen.
Der Wachoffizier blickte durch ein Fernglas, und neben ihm stand ein Techniker, der eine Kamera handhabte. Schau dir nur alles gut an, Iwan, dachte Trask.
Er flog nahe der Backbordseite des Schiffes entlang und dann quer über das schäumende Kielwasser. Am Flaggenstock waren Hammer und Sichel auf blutrotem Grund aufgezogen. Die Sonne ließ die Farben aufleuchten; tiefblau das Meer, gegen die Küste zu ins Grün übergehend. Trask sah die goldenen Tressen an den Uniformen der Offiziere blinken, die zur Brücke eilten. Ein Signalgast hob eine Lampe und gab eine Kodemeldung, als der Shrike wieder ganz nahe neben dem Schiff herflog.
Trask las die Botschaft und lächelte in sich hinein. Sie signalisierten »Halten Sie sich fern!« im internationalen Kode. Er schaltete die Funkkanäle auf die gleiche Welle, die sowohl vom russischen als auch vom amerikanischen Kontingent verwendet wurde. »Unbekanntes Seefahrzeug, hören Sie!« sagte er ganz ruhig. »Sie sind in Gewässer eingedrungen, die unter der Kontrolle des amerikanischen Kontingents der Friedensstreitmacht stehen. Verringern Sie unverzüglich Ihre Geschwindigkeit und geben Sie sich zu erkennen!«
Wieder flammte die Aldislampe auf, und die Russen signalisierten »Halten Sie sich fern!«
Trask öffnete die Luken, um die Fernsehkameras freizulegen, und fing an, die ›Allende‹ aufzunehmen. Wenn die Russen die entsprechenden Regler an Bord hatten, konnten sie sich ausrechnen, dass die Bilder zurück nach Es Schu'uts und via Satellit an die Einheiten der Sechsten Flotte übertragen wurden. Das würde ihnen gar nicht recht sein, dachte Trask. Sie waren ganz entschieden dagegen, dass ihre neuen Schiffe, wenn sie mit einiger Geschwindigkeit unterwegs waren, auf Videoband aufgenommen wurden. Die Eierköpfe im Pentagon konnten eine ganze Menge aus solchen Bildern, aus der Form des Kielwassers und der Bugwelle lernen.
Trask schätzte, dass sie jetzt schon fast mit Höchstgeschwindigkeit fuhren. Das sollten sie gefälligst unterlassen. Wieder zog er quer über das Kielwasser des Kriegsschiffes eine Kurve, flog an der Backbordseite zurück und abermals über die schäumenden Bugwellen.
»Sie sind in Gewässer der amerikanischen Zone eingedrungen«, sagte er ins Mikrofon. Sein Herz hämmerte mit zunehmender Hoffnung und Erregung. »Das ist eine letzte Warnung. Geben Sie sich zu erkennen!« War es möglich, dass sie sich weigerten, seiner Aufforderung nachzukommen? Er flog etwa tausend Meter parallel zum Zerstörer und verhielt. Die Luftkissendüsen wirbelten schäumend den Gischt auf.
Das Schiff kam rasch näher. Im Sonnenlicht silbern glitzernd, hob sich die Bugwelle grünlich durchscheinend in doppeltem Bogen. Die Schiffsbrücke oberhalb der schwarzen Decksaufbauten füllte sich mit Offizieren und Matrosen. Trask bemerkte einen Zivilisten unter den uniformierten Männern. Die Geschützbedienung lief gerade zu den 76-mm-Flakgeschützen, den einzigen sichtbaren Waffen an Bord. Die Aldislampe blitzte immer wieder zornig auf.
Der Shrike saß auf einer Gaswolke, die aus einer tiefen Höhlung in der Wasseroberfläche aufzusteigen schien. Gleich einem stählernen Meeresungeheuer kam das Kriegsschiff mit
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