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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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benannt, waren Admiral Ainsworth, dem Stabschef der US-Marine, ein besonderer Dorn im Auge. Er empfand heftigen Neid, weil die ›Allende‹ den technologischen Vorsprung der Sowjets bewies, und Ärger, weil sich der US-Senat beharrlich weigerte, Mittel freizugeben, um die Marine mit zumindest gleichwertigen Einheiten auszustatten.
    Das flache Profil der ›Allende‹ machte es schwer, sie zu orten, es erlaubte ihr hohe Geschwindigkeiten – dafür aber mußten die Männer an Bord eng zusammengepfercht leben und hatten nur wenig Bewegungsfreiheit. Die Unterbringung von Anatolij Igorewitsch Rostow und seinem Stab ergab weitere Raumprobleme, und Kapitän Sergej Bogdanow war über die seinem Schiff erwiesene Ehre, den hohen Gast nach Alexandrien bringen zu dürfen, alles andere als erbaut.
    Den Raum, in dem Rostow und seine Sekretäre schon den ganzen Vormittag arbeiteten, hätte man auf einem westlichen Kriegsschiff als die Offiziersmesse bezeichnet. Der Stellvertretende Ministerpräsident ging wieder und wieder die Listen durch, die die ägyptischen Wünsche nach Waffenhilfe enthielten, lange, unrealistische und kostspielige Listen. In den vergangenen Jahren hatten die Ägypter neuerlich hochgezüchtete, komplizierte Waffen und Geräte gefordert, zu deren Verwendung sie nach Rostows Ansicht in keiner Weise qualifiziert waren. Die letzte, von der VAR nach Moskau entsandte Militärmission hatte die ägyptischen Forderungen nach Offensivwaffen erneuert – man wünschte besonders die letzten Modelle der MIG-Mittelstreckenbomber und Iljuschin-Mittelstreckenraketen sowie die Boden-Luft-Raketen, die der israelischen Luftwaffe im Yom-Kippur-Krieg so zugesetzt hatten. Diese Forderungen wurden mindestens einmal jährlich gestellt und ebenso oft abgewiesen. Rostow erinnerte sich, dass vor nicht ganz zehn Jahren – verärgert über die Weigerung der Sowjets, ihnen Fernlenkwaffen und Ferngeschütze zu liefern – Ägypten die sowjetischen Militärberater ausgewiesen hatte. Es war dies nichts Endgültiges gewesen, wie ja fast jede politische Entscheidung der Ägypter provisorischen Charakter zu haben schien, aber sie hatte die Sowjetregierung in eine peinliche Lage gebracht, und Rostow wünschte keine Wiederholung. Nach dem Zypernabkommen war dergleichen natürlich nicht zu erwarten, aber bei den Arabern konnte man nie wissen; sie verlangten ununterbrochen nach Waffen, die in ihren Händen eine Gefahr darstellten und außerdem so kompliziert waren, dass sie ständig Wartung brauchten.
    Nach Rostows Ansicht war es Verschwendung, ja geradezu Wahnsinn, den Streitkräften eines arabischen Landes anderes als alte und primitive Waffen zu liefern. Die Israelis hatten ihnen immer wieder Niederlagen bereitet, in Zukunft würde es wohl nicht anders sein. Also mußte man sie am Kampf hindern, und das Zypernabkommen machte dies möglich. Die Araber würden zuerst auf sowjetische und amerikanische Truppen stoßen, bevor sie an ihre Erbfeinde herankamen; das machte wohl jede weitere Belieferung der ägyptischen Streitkräfte überflüssig und nutzlos. Solange das Abkommen hielt, konnte Moskau die arabischen Nationalisten mit Lieferungen von veraltetem Kriegsmaterial hinhalten. Das ehrgeizige Streben der Israelis und die leere Phrasendrescherei der Araber waren gleichermaßen sinnlos: die Zukunft des östlichen Mittelmeers lag nun in den Händen der Sowjets und der Amerikaner. Und das war gut so. Die Starken sollten bestimmen. Der UNO, in der die Kleinen den Mund vollnahmen, war auf Sinai die Rolle zugefallen, die sie verdiente. Die Vereinten Nationen konnten zwar Beobachter entsenden und Polizei spielen, aber sie besaßen wenig Ansehen und Machtbefugnis. Rostow mußte an Stalins hämische Antwort denken, als man ihn während des Großen Vaterländischen Krieges fragte, ob man nicht auch den Papst in Rom zu Rate ziehen sollte: »Wieviel Divisionen hat er?« Trotz der Fehler, die der alte Diktator begangen hatte – und es waren nicht wenige, wie Rostow sich freimütig eingestand –, fiel es einem Sowjetmenschen schwer, im Grunde seines Herzens nicht Stalinist zu sein. Die Amerikaner verstanden schließlich nur die Sprache der Gewalt.
    Die Gegensprechanlage auf dem Tisch der Offiziersmesse summte, und einer der Sekretäre schaltete auf Empfang. »Genosse Rostow«, meldete sich Kommandant Bogdanow, »wir befinden uns an der Grenze der amerikanischen Zone. Sie haben den Wunsch ausgesprochen, die Küste zu sehen.«
    »Ich komme«, sagte

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