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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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Guerillabewegung noch nie abgehalten. Terroristen hatten in München und in Khartum, in London und New York und Paris zugeschlagen. Selbst der Ausbruch der Feindseligkeiten, dann Kissingers unablässige Friedensbemühungen, die letztlich zum Zypernabkommen geführt hatten, diese verworrenen Kämpfe zu Lande und in der Luft, die man manchmal auch den ›Beinahe-Krieg‹ nannte, waren durch fortgesetzten Terror und Mord ausgelöst worden. Alles, jawohl, alles lag im Bereich des Möglichen. Die Zeit drängte, dachte Greenblatt; ihn fröstelte …
    Anatolij Rostow saß hinter dem Panzerglas seines SIM-Stabswagens und verging fast vor Ungeduld. Er fuhr höchst ungern mit dem Auto, und dass er es tun mußte, nur weil eine sinnlose und willkürliche Bestimmung den Luftverkehr über diesem Sperrgebiet untersagte, ärgerte ihn ganz besonders. Zur Zeit der Unterzeichnung des ersten Zypernabkommens war es ihm, Anatolij Igorewitsch Rostow, als frischgebackenem Mitglied des Politbüros, nicht opportun erschienen, einzelne Bestimmungen unter ›Beschuss‹ zu nehmen und sich damit der Kritik seiner neuen Kollegen auszusetzen. Aber er hatte schon damals vorausgesehen, dass dieses den vier Besatzungsmächten auferlegte Verbot, die entmilitarisierte Zone mit ihren Maschinen zu überfliegen, Unannehmlichkeiten mit sich bringen würde. Im besten Fall Unannehmlichkeiten – wobei es nicht schwer war, sich Situationen vorzustellen, in denen das Verbot weit ernstere Folgen haben konnte.
    Er hatte das Gefühl, schon seit dem Morgengrauen unterwegs zu sein. Eine Maschine des sowjetischen Kontingents hatte ihn nach Clysma (oder Suez) gebracht. Dort war der Kanal überquert worden, und dann hatte die Autofahrt begonnen, die er auf Grund der Tatsache, dass es auf dem langen Weg bis zur entmilitarisierten Zone keine nennenswerten russischen Stützpunkte gab, als besonders ärgerlich und beschwerlich empfand. Die sowjetischen Kräfte waren vornehmlich entlang der Nordküste der Halbinsel und nahe den dichtbesiedelten Gebieten des Nildeltas konzentriert. Die Gründe dafür leuchteten sogar den Gegenspielern jenseits des vierunddreißigsten Meridians ein: Die Sowjets saßen auf Sinai nicht nur, um den Amerikanern zu helfen, den Frieden zwischen Arabern und Juden zu bewahren. Ein ebenso starkes Motiv für ihre Präsenz lag in dem Wunsch begründet, sich als strategisch abgesicherte Macht im Mittelmeer zu etablieren. Und dieses Ziel erreichte man nicht, wenn man viele kleine Truppeneinheiten über weite Ödlandflächen verteilte.
    Diese Entscheidung hatte zur Folge, dass große, unter russischer und ägyptischer Verwaltung stehende Gebiete auf der Halbinsel unbewacht und unentwickelt blieben. Eine zweite und im Augenblick für den Stellvertretenden Ministerpräsidenten noch ärgerlichere Folge war, dass man zweihundert Kilometer (über eine von Ägyptern gebaute miserable Straße) durch das mittelwestliche Sinai fahren mußte, ohne Gelegenheit zu haben, sich die Beine zu vertreten oder auch nur ein Glas Tee vorgesetzt zu bekommen.
    Nun war der lange, schwerbewachte Konvoi mit holpernder Plötzlichkeit etwa zwanzig Kilometer vor der entmilitarisierten Zone zum Stillstand gekommen. Im gleichen Augenblick hatten sich die Lastwagen mit den ersten Kompanien der KGB-Truppen schlagartig geleert, und die Soldaten sammelten sich in alarmierender Betonung ihrer Beschützerrolle rund um die Limousine mit Rostow und General Ulanin. Rostow spähte durch die dicken Scheiben seines Wagens, konnte aber außer Sand und Steinen und hier und dort einem Dornbusch nichts Besonderes sehen. Es gab weit und breit keine Erhebung, hinter der ein Feind Deckung suchen, hinter der eine Gefahr lauern konnte. Sicher war es dieses Großmaul, dieser versoffene Nowotny, der auf so idiotische Weise seine Wachsamkeit unter Beweis stellen wollte, weil er hoffte, damit den schlechten Eindruck zu verwischen, den er beim Empfang in der Offiziersmesse der ›Allende‹ gemacht hatte.
    Rostow wandte sich an Ulanin, der teilnahmslos neben ihm saß. »Sehen Sie doch mal nach, was der Narr da aufführt, Genosse General. So werden wir nie zeitgerecht in der Zentralen Zone eintreffen.«
    Ulanin stieg aus und ging mit seinem jungen Adjutanten an die Spitze des Konvois vor. Rostow zündete sich eine Zigarette an und richtete das Wort an Hauptmann Sacharow. »Welche Truppen haben die Amerikaner hier stationiert?«
    Der Marineoffizier zuckte die Achseln. »Nicht viel mehr als wir. Ein Bataillon

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