34° Ost
Konvoi die Grenzlinie der Zentralen Zone passiert hatte und nun auf der Straße entlang 34° Ost wieder nach Süden schwenkte. Über Funk gab er seine und die Position der Kolonne an Echo Sierra weiter, zog eine Schleife und nahm widerstrebend Kurs auf Es Schu'uts.
In Jerusalem wurden um diese Stunde die Kosmosbilder zur Untersuchung auf den Leuchttisch gelegt. Schon am frühen Nachmittag hatte Avram Bar-Scharon, ein Major der Fallschirmtruppe, der als Verbindungsoffizier in der Zentrale des Mosa'ad seinen Dienst versah, Mosche Greenblatt, dem regulären Fotoauswerter, bei der Überprüfung der vom amerikanischen Samos-Satelliten gelieferten Bilder des südlichen Sinai geholfen. Major Bar-Scharon, dessen Infanterieeinheit schon des öfteren Feuergefechte mit als Beduinen verkleideten arabischen Guerillas ausgetragen hatte, verfolgte interessiert die Wanderungen einer Gruppe von Nomaden, die das Gebiet zwischen El Tur am Golf von Suez und dem südlichen Rand des Sinai-Massivs durchstreiften. Die amerikanischen Satellitenbilder zeigten die Gruppe westwärts ziehend. Das war vor drei Tagen gewesen. Bedauerlicherweise hatte der Mosa'ad kein Material bekommen, aus dem zu ersehen gewesen wäre, wo sich die Nomaden vorher aufgehalten hatten. Die Amerikaner zeigten sich durchaus bereit, ihre Satelliteninformationen mit dem Mosa'ad zu teilen – soweit es sich auf den Aktionsradius der Friedenstruppe bezog; nicht aber waren sie bereit, die Israelis mit Bildern der angrenzenden arabischen Gebiete zu beliefern.
Bar-Scharon und Greenblatt waren jetzt verständlicherweise neugierig, was auf den Kosmos-Bildern von dem Zwischenfall zu sehen war, der sich gestern vor der nördlichen Küste ereignet hatte. Der russische Satellit hatte tatsächlich hervorragende Arbeit geleistet und zeigte in allen Einzelheiten, wie der amerikanische Pilot Anatolij Rostow und die Sowjetflotte blamierte. Kein Wunder, dass die Politiker in aller Welt aus dem Häuschen waren. Nach der Auswertung durch den Mosa'ad würden die Bilder den CIA-Dienststellen in Washington und Es Schu'uts übergeben werden. Wie beide Männer wußten, bestand ein stillschweigendes Übereinkommen zwischen den Geheimdiensten der Sowjetunion, Israels und der Vereinigten Staaten, wonach das Material frei und unbehindert zwischen ihnen ›zirkulieren‹ sollte. Die Ausrede, dass es sich um ›gestohlenes‹ Material handelte, diente jedem der Länder als Vorwand, die ›Pipeline‹ in dem Augenblick zu unterbrechen, da der Austausch von Informationen als störend oder ungelegen empfunden wurde. Dies geschah jedoch nur selten, da es allen Beteiligten lebenswichtig erschien, dass jede Seite wissen sollte, welche Informationen die andere besaß und sie als Grundlage für Entscheidungen strategischer beziehungsweise politischer Art heranzog, die ansonsten leicht als feindselig angesehen werden mochten.
Greenblatt, ein schwächlicher junger Mann mit Brille und schütterem schwarzem Haar, beugte sich über ein vergrößertes Bild von den Gewässern vor Es Schu'uts. Mit einer Lehre nahm er minuziöse Messungen vor. »Darüber läßt sich ewig diskutieren«, meinte er, während er die Noniusskala auf seinem Instrument ablas. »Die ›Allende‹ ist genau fünfzehn Kilometer von der Küste entfernt. Die Bugwelle ist näher, aber die Strömung geht zur Küste hin.« Er schüttelte mit gespielter Bewunderung den Kopf. »Mit freigelegten Bordwaffen schwebt der Amerikaner hundert Meter vor dem Schiff. Herrlich!«
Er beugte sich abermals vor, um seine Messungen fortzusetzen, wobei er sich jetzt auf die sichtbaren Merkmale des Schiffes konzentrierte, das zu einem Typ gehörte, mit dem die Nachrichtendienste des Westens noch nicht sonderlich vertraut waren.
Bar-Scharon, der sich nur bis zu einem gewissen Punkt für den Zwischenfall und für das Schiff interessierte, war Infanterieoffizier und eine Landratte. Seine Aufmerksamkeit galt vor allem den Aufnahmen des Geländes zwischen dem Golf von Suez und den Ausläufern des Berges Sinai. Er suchte nach der Gruppe von Beduinen, die auf den letzten amerikanischen Satellitenbildern festgehalten worden waren.
Auflösungsvermögen und Schärfe des russischen Materials verdienten alles Lob. Es war dem amerikanischen in jeder Beziehung gleichwertig. Die Amerikaner waren vielleicht etwas besser in der Aufzeichnung elektromagnetischer und thermischer Daten, aber die russischen Bilder waren so scharf und klar wie nur möglich. Der Himmel war wolkenlos
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