Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
Vom Netzwerk:
sowjetischen Raketenkreuzers beschäftigt, um gleich zu antworten.
    »Mosche?« Major Bar-Scharon sprach den Namen in einem so dringlichen Ton aus, dass der Mosa'ad-Agent aufblickte.
    »Komm mal her und schau dir das an.«
    Greenblatt legte die Meßlehre nieder und ging um den breiten Tisch herum.
    »Dieses Einzelbild.«
    Greenblatt setzte sich vor den Apparat und studierte die Aufnahme: das felsige Küstenplateau, das ansteigende Vorgebirge, die trockenen Wadis, die tiefen Schluchten … Es erinnerte ihn an die Bilder vom Mond, die er gesehen hatte – vertikale Schichtungen eines unbarmherzigen Landes. Und weil er eben noch klares blaues Wasser und weiße Sandstrände vor Augen gehabt hatte, brauchte er eine kleine Weile, um sich auf die Einzelheiten zu konzentrieren, an denen Avram offenbar interessiert war.
    »Die Reiter«, sagte der Major ungeduldig. »Die Beduinen. Siehst du's nicht?«
    »Was soll ich denn sehen?«
    »Na, zunächst einmal, dass es fünfzehn sind – fünfzehn Reiter, nicht vierzehn. Aber schau dir den Anführer an!«
    Greenblatt kurbelte die Vergrößerungslinsen bis zum Anschlag hoch. Das Gesicht des Beduinen schien ihm entgegenzuspringen, oder besser, er selbst schien durch die klare Luft hindurch niederzustürzen, bis er die ihm zugewandten Züge wie aus zwei oder drei Metern Entfernung sah. Der Mann war von stämmigem, ungeschlachtem Wuchs. Er hielt sein Keffijeh in der Hand, hatte es vermutlich abgenommen, um sich die Sonne auf Gesicht und Kopf scheinen zu lassen – was Beduinen kaum jemals taten. Die breiten Backenknochen und der dichte Schnurrbart verliehen ihm ein höchst unarabisches Aussehen – von der weißen Haut ganz zu schweigen. Nun, da seine Augen auf alles achteten, was nicht der Norm entsprach, glaubte Greenblatt auch durch die Öffnungen des Gewandes einen üblicherweise für Tarnanzüge verwendeten Stoff zu sehen, und die Füße des Mannes steckten nicht in Filzschuhen, wie sie Wüstennomaden zu tragen pflegten, sondern in Fallschirmspringerstiefeln.
    »Allmächtiger«, flüsterte er. »Da haben wir schon den Salat!«
    »Araber ist das keiner, das ist sicher.«
    »Bestimmt nicht.«
    »Was darauf schließen läßt, dass wir es hier nicht mit einer Gruppe harmloser Beduinen zu tun haben.«
    Bar-Sharon wartete nicht mehr. Er griff nach dem Telefon und ließ sich mit dem Heeresnachrichtendienst verbinden.
    »Sollten wir nicht auch die Amerikaner informieren?« schlug Greenblatt vor.
    »Das kann warten«, antwortete Bar-Scharon, jetzt ganz Soldat. Greenblatt wollte etwas einwenden, besann sich aber eines Besseren. Vor ihnen lag ein russisches Satellitenbild. Also wußten die Russen, dass hier etwas nicht stimmte, und wußten auch, dass die Amerikaner das Material durch die Pipeline erhalten würden. Hatten sie die Dinge aber so geplant, war es weiter nicht schlimm, wenn man die Yankees eine kleine Weile, bis zur Freigabe des Materials durch den Mosa'ad und den israelischen Generalstab, warten ließ. Dennoch sollte man sie davon in Kenntnis setzen, dass die Russen konkretes Beweismaterial in Händen hielten, wonach eine Guerillabande mit einem europäischen (oder russischen) »Ratgeber« den sowjetischen Sektor durchquerte und auf die entmilitarisierte Zone zuhielt.
    Bar-Sharon hatte sein Gespräch beendet. »Sie wollen sich das selbst ansehen«, sagte er. »Sie schicken jemanden herüber. Und wenn sie die Dinge so sehen, wie wir sie sehen, werden sie sofort Washington und Es Schu'uts benachrichtigen.« Als er Greenblatts sorgenvolle Miene sah, deutete er auf das Bild: »Mosche, wer immer das auch sein mag, der Mann befindet sich seit mindestens zwei Tagen auf Sinai. Eine halbe Stunde mehr bedeutet nicht das Ende der Welt.«
    Greenblatt antwortete nicht. Er war bereits emsig damit beschäftigt, ein Auswertungsgerät aufzustellen, mit dessen Hilfe es möglich sein würde, die Abtastdaten einem Computer einzugeben und, mit ein wenig Glück, das Gesicht des Guerillaanführers zu identifizieren. Er dachte an das Treffen, das in den nächsten Stunden in der Zentralen Zone über die Bühne gehen würde, und an die Wichtigkeit der Personen, die man dort erwartete. Die Sicherheitsvorkehrungen würden natürlich ganz besonders streng sein. Ganze Bataillone von Soldaten würden dort herumwimmeln. Kaum vorstellbar, dass die Guerillas einen Angriff wagen könnten. Und doch – die Tatsache allein, dass eine Aktion von vornherein zum Scheitern verurteilt war, hatte die Fanatiker der

Weitere Kostenlose Bücher