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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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gewesen, als Kosmos 623 diese Aufnahmen gemacht hatte, und man konnte Objekte von weniger als fünfzehn Zentimeter Größe einwandfrei identifizieren. Dass der Satellit die Bilder aus seiner Umlaufbahn, Hunderte von Kilometern über der Erde, geschossen hatte, erfüllte Bar-Scharon mit Bewunderung.
    Die Farben waren rein und natürlich, und die Aufnahmen umfassten einen breiten Streifen, der sich von der Straße von Gubal quer über die Halbinsel zur Nordküste zog. Im Golf waren unter der Oberfläche des klaren Wassers Riffe zu sehen; nahe der afrikanischen Küste war eine Dhau so klar und scharf auf Papier und Emulsion gebannt worden, dass der Major längsschiffs die Fugen der Decksplanken, die Taukränze am Vordersteven und die Netze deutlich erkennen konnte, die quer über das gereffte Segel hingen, um im Seewind zu trocknen. Ein Matrose oder Fischer schlief neben der Ruderpinne, und ein anderer Mann in einem weißen Lendentuch hockte mittschiffs und flickte ein Netz. Eine atemberaubende Meisterleistung der Technik, fand Bar-Scharon. Was würden sich die Männer auf der Dhau denken, wenn sie wüssten, dass sie von einem unsichtbaren Auge, das Hunderte von Kilometern hoch über ihnen kreiste, so deutlich gesehen worden waren? Er konnte sich ihre ehrfürchtige Scheu vorstellen. Auch er empfand sie.
    Am Rande eines anderen Bildes, das das Tafelland an der Küste und die Ausläufer des Sinai-Massivs zeigte, konnte er die steilen Abhänge und die nahezu senkrecht abfallenden Schluchten erkennen, die den heiligen Berg umgaben. Auf der nächsten Aufnahme waren das Katharinenkloster und die in die Felsen gehauenen Wohnstätten der Hirten zu sehen, die schon seit mehr als tausend Jahre dort bestanden. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. Diese Männer würden die Tatsache, dass sie unter Beobachtung standen, besser verstehen können. Christen war der Gedanke vertraut, dass das Auge Gottes ständig auf ihnen ruhte.
    Mit einem Clip befestigte er das Bild auf dem Leuchttisch und schraubte die Vergrößerungslinsen tiefer. Da waren sie ja, seine Beduinen! Dieselbe Gruppe, deren Weg er auf den amerikanischen Fotos verfolgt hatte. Aber sie waren von der Küste fort, landeinwärts gezogen. Bis jetzt war ihre Wanderung zielbewusst erschienen. Ja, es war gerade diese leichte Abweichung von der Norm gewesen, die sein Interesse an ihnen erweckt hatte. Mit Hilfe der Samos-Fotos war er ihnen auf ihrem Weg quer über die Südspitze der herzförmigen Halbinsel gefolgt. Sie hatten sich geradewegs – wie dies Nomaden kaum je zu tun pflegten – auf einen Punkt an der Küste südlich von El Tur zu bewegt. Es gab in dieser Gegend wenig, was Beduinen hätte anziehen können: Das Weideland, wenn überhaupt vorhanden, war mager, und die Chance, Wasser zu finden, äußerst gering. Hin und wieder zogen die Beduinen zur Küste, um nach Salz für ihre Tiere zu suchen, und er hatte angenommen, dass auch diese Gruppe danach aus war. Doch das Bild zeigte, dass sie vom Golf weg und in die Berge gezogen waren. Er wußte, dass diese Menschen, die seit biblischen Zeiten die Wüste durchwanderten, die Zonen und Sektoren auf Sinai völlig ignorierten – aber er stellte fest, dass diese Gruppe im Begriff war, den russischen Sektor in Richtung Zentrale Zone zu verlassen. Der Sabra in ihm neigte dazu, den Soldaten davon zu überzeugen, dass für Beduinen willkürlich gezogene Grenzlinien keinerlei Bedeutung hatten. Warum denn auch?
    Fast kam er sich allwissend vor, als er noch einmal durch die Vergrößerungslinsen blickte und seine vierzehn ahnungslosen Subjekte näher betrachtete.
    Vierzehn? Hatte er sich verzählt? Ganz gewiß nicht. Auf ihrer Wanderung durch den Süden der Halbinsel waren es vierzehn Reiter und etwa ein halbes Dutzend Packtiere gewesen. Jetzt schienen es fünfzehn Reiter und fünf schwer beladene Tragtiere zu sein.
    Er runzelte die Stirn und erhöhte die Vergrößerungsstärke auf seinem Gerät. An sich war es unverdächtig, dass sich diese Nomaden irgendwo an der Golfküste um einen Mann vermehrt hatten – davon abgesehen, dass Beduinen von einem außerordentlich starken Stammesbewusstsein beseelt waren und dass es so gar nicht ihrer Art entsprach, in der Wüste umherstreifende Individuen aufzulesen. Seine Miene wurde um einige Grade finsterer, als er nun das Bild noch eingehender unter die Lupe nahm.
    »Mosche?«
    Greenblatt, über seine eigene Arbeit auf dem Leuchttisch gebeugt, war zu sehr mit den Messungen auf den Bildern des

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