34° Ost
den neuen Geschwaderkommandeur. Er hatte vor, den ›Richter‹ nach einer Möglichkeit suchen zu lassen, Trask in die Heimat zurückzuversetzen. Theoretisch war der Colonel bestens geeignet, die Flieger des amerikanischen Kontingents zu befehligen. Seine Dienstbeschreibung konnte sich sehen lassen. Aber als Leutnant in Vietnam war er abgeschossen und von den Kommunisten gefoltert worden, und er machte kein Hehl aus seinem Hass auf seine Peiniger. Durchaus verständlich, fand Tate, aber kaum die richtige Empfehlung für diesen heiklen Posten in Tuchfühlung mit den Sowjets. Und was Tate noch weiter beunruhigte, war die Tatsache, dass der Befehl, der Trask in die Zone beordert hatte, von Admiral Stuart Ainsworth, dem Vorsitzenden des Militärausschusses und möglicherweise prominentesten Antikommunisten in der Regierung, persönlich erlassen worden war.
Captain Adams hatte ihr Tonbandgerät laufen und machte sich über die weitschweifigen Beschwerden der Russen Notizen. Eine blonde Strähne war über ihre schmale Stirn gefallen und klebte an der feuchten Haut. Richter Seidel war mit seiner Pfeife beschäftigt.
»Ich glaube, wir haben jetzt davon genug gehört«, sagte Bill Tate, des monotonen Geleiers der Dolmetscherin überdrüssig, laut und deutlich.
Das Vollmondgesicht erstarrte. Sie hörte auf zu lesen. Oberst Nowotny, dessen Aufgabe es war, die Anklagen zu erheben, sah die amerikanischen Offiziere missbilligend an. General Ulanin blieb stumm. Unbeweglich saß er da, seine verschleierten, blutunterlaufenen Augen tränten. Er war fast siebzig Jahre alt und hasste plötzliche Entscheidungen.
»Ich schlage vor«, fuhr Tate fort, »wir lassen zunächst diese Routineberichte und unterhalten uns über die zu ergreifenden Sicherheitsmaßnahmen für den Vizepräsidenten und den Stellvertretenden Ministerpräsidenten. Wir haben schon bei den letzten zwei Sitzungen versucht, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu bringen, General, aber Sie haben uns immer wieder vertröstet. Die Zeit wird knapp.«
»Der Stellvertretende Ministerpräsident befindet sich noch nicht in der Zone«, antwortete General Ulanin.
»Das ist mir bekannt«, sagte Tate, »aber halten Sie es für klug, mit der Koordinierung unserer Maßnahmen bis zum letzten Augenblick zu warten?«
»Solange der Stellvertretende Ministerpräsident nicht eingetroffen ist, können wir nichts tun«, erwiderte General Ulanin.
Tate, der einen großen Teil seines Berufslebens mit dem Studium der Russen zugebracht hatte, wußte, dass dieser steife Ton ein Zeichen für das Erwachen slawischen Misstrauens war. Solche psychologischen Sackgassen erschwerten die Zusammenarbeit mit den Sowjets immer wieder, wenn sie sie nicht gar unmöglich machten.
Er versuchte es noch einmal. »Trifft der Stellvertretende Ministerpräsident auf dem Luftweg ein? In diesem Fall würden wir Sie bitten, uns seinen Flugplan zur Verfügung zu stellen. Wir möchten jeden Zwischenfall vermeiden.«
Jermolow, der erbittertste Gegner der Amerikaner im Stab des sowjetischen Kontingents, sagte: »Die Luftwaffe der Roten Armee ist auch ohne Ihren Rat durchaus imstande, von Moskau nach El Arisch zu fliegen, General Tate.«
Tate unterdrückte eine ärgerliche Entgegnung. Ulanin fixierte den Kommandeur mit einem frostigen Blick und sagte dann: »Wir erwarten Genossen Anatolij Igorewitsch Rostow um 23.00 Uhr in Alexandrien. Von dort wird er am Konferenztag mit dem Hubschrauber in die Zentrale Zone gebracht.«
Richter Seidel sprach mit ruhiger Stimme: »Ohne die Bewilligung aller Signatarmächte und der Vereinten Nationen darf die entmilitarisierte Zone von keinem Hubschrauber – auch nicht dem Hubschrauber des Stellvertretenden Ministerpräsidenten – angeflogen werden.«
»Besteht Grund zur Annahme, dass die Bewilligung nicht erteilt werden könnte?« fragte Oberst Nowotny.
»Sie werden sich erinnern«, antwortete General Tate, »dass sich das amerikanische Kontingent im vergangenen Januar erbötig machte, einen verwundeten schwedischen Beobachter aus der entmilitarisierten Zone auszufliegen, und dass sowohl die Sowjetunion als auch die Vereinigte Arabische Republik ihre Zustimmung verweigerten. Falls Sie es vergessen haben sollten, Oberst: Der Mann starb.«
»Hier liegt die Sache anders«, sagte Nowotny.
»Kann sein. Aber die Streitkräfte auf dieser Halbinsel sind seitens ihrer Regierungen dazu verpflichtet, sich an alle Bestimmungen des Zypernabkommens zu halten. Das ist eine durchaus gesunde
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