35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
Es faßt höchstens sechs Mann. Da müssen wir ja zwölfmal fahren! Sucht nach, ob vielleicht noch ein zweites da ist!“
Auch ich und Pena suchten, natürlich vergeblich. Daß man uns diese Freiheit der Bewegung ließ, war ein Zeichen, daß man uns traute. Inzwischen hatte der Yerno sich mit dem Häuptling beraten. Das Resultat dieser Unterredung erfuhren wir, indem der Erstere uns fragte:
„Können Sie rudern?“
„Ja“, antwortete ich erfreut darüber, daß wir wahrscheinlich gleich mit hinüber sollten.
„Auch gut und gewandt?“
„Ganz unhörbar, wenn es sein muß.“
„So werden wir erst einmal rekognoszieren, ob der Weg, welchen wir einschlagen wollen, auch sicher ist. Aber, was ist denn das? Es ist ja hell da drüben!“
„Der Desierto wird ein Feuer brennen. Man sieht es von hier aus nicht deutlich, da sich Büsche dazwischen befinden.“
„So ist er mehr als dumm. Er verrät ja den Ort, an welchem er sich befindet. Also wir fahren jetzt hinüber. Sie rudern. Ich und der Häuptling begleiten Sie. Geben Sie sich Mühe, kein Geräusch zu verursachen!“
Ich stieg mit Pena ein und löste das Boot. Dann kamen die beiden nach. Sie setzten sich nicht, sondern sie legten sich ausgestreckt in den Kahn. Also das hatten sie sich ausgedacht! Wenn man das Boot drüben ja bemerkte, so sollten Pena und ich es sein, welche die vergifteten Pfeile in den Leib bekamen!
Natürlich waren wir dieser Gefahr ganz und gar nicht ausgesetzt. Wir langten auf der dunklen Seite der Insel an, stiegen aus, banden das Boot an und schlichen uns nach dem Bethaus. Die Tür war leicht zu öffnen, und wir traten ein. Die Tobas hatten sich natürlich unter die Bänke versteckt, so daß der Yerno, als er rund um dieselben längs der Mauern herumschritt, nichts fand. Als er wieder zu uns an die Tür kam, sagte er leise:
„Es ist kein Mensch da. Sie beide bleiben hier, und zwar mit mir. Ich als Anführer muß mich hier befinden. Der Häuptling fährt allein zurück und kommt, nachdem er seine Leute herübergeschickt hat, erst mit dem letzten Trupp.“
Er gab diese Instruktionen dem Indianer, welcher sich dann entfernte. Er selbst trat vor die Tür und blickte nach dem Feuer.
„Es scheinen auch Frauen dabei zu sein“, sagte er. „Ich möchte einmal zählen, wie viele Personen es sind.“
„Wollen Sie hin?“ fragte ich.
„Ja. Ich schleiche mich so weit hinan, wie es möglich ist.“
„Das können Sie bequemer haben. Lassen Sie sich tragen!“
„Tragen? Sind Sie des Teufels? Von wem denn?“
„Von mir.“
„Mensch, Sie sind wirklich vollständig verrückt! Mich tragen zu lassen! Ich möchte wissen –“
„Weshalb ich Ihnen das rate?“ unterbrach ich ihn. „Ich will es Ihnen lieber zeigen als sagen; nämlich so, in dieser Weise –“
Ich legte ihm die beiden Hände um den Hals und zog ihn in das Gebäude. Er strampelte ein wenig und lag dann still auf dem Boden.
„Sind Leute da?“ fragte Pena jetzt halblaut. „Wir sind es, die beiden Freunde.“
„Ja, wir sind da“, antwortete es in gebrochenem Spanisch. „Sollen wir kommen?“
„Ja. Bindet und knebelt den Kerl.“
Die Tobas waren im Nu bei uns. Als der Yerno die Riemen und auch den Knebel hatte, hob ich ihn auf und trug ihn nach dem Feuer. Als man dort meine Schritte hörte, wendeten sich mir alle Gesichter zu.
„Hier ist der Yerno“, sagte ich, indem ich den Körper zu Boden warf. „Nehmen Sie ihn in Ihre Mitte. Ich mochte ihn nicht allein im Haus lassen, weil er der Unternehmendste von allen ist und auf den Gedanken kommen könnte, uns durch lautes Schnaufen zu verraten.“
„Aber man sieht Sie doch!“ warnte der Desierto.
„Nein; die Büsche decken mich.“
„Wir sind in großer Sorge. Wie geht es?“
„Ausgezeichnet; viel besser, als ich vermuten konnte. Postieren Sie nun mehrere Leute in das Dunkel. Wir bringen Ihnen die jedesmal Überwältigten, da ich es doch für geraten halte, sie nicht im Bethaus liegen zu lassen.“
Jetzt kehrte ich schleunigst nach dem Letzteren zurück, denn es war die Zeit, in welcher die ersten Fünf kommen mußten. Ein Sechster hatte den Kahn zu rudern und fuhr leer zurück.
Wir standen innerhalb des Hauses im Volldunkel. Die fünf kamen. Der Vorderste von ihnen tat eine Frage in seiner Sprache; Pena antwortete und wurde also für den Yerno gehalten. Die Kerle traten ein und fühlten im nächsten Augenblick unsere Hände um ihre Kehlen. Als sie unschädlich gemacht worden waren, wurden sie
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