35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
Yerno fort. „Ich muß an meinen Kopf greifen, ich muß!“
„Soll ich?“ fragte der Alte, indem er sich bereits bückte, um das an ihn gerichtete Verlangen zu erfüllen.
„Nein“, antwortete ich, indem ich ihn auf die Seite schob. „Er mag erst gestehen.“
Das Gesicht des Yerno hatte jetzt ein erdfahles Aussehen; seine Lippen waren blutig gebissen, und vom Blut strotzten die Adern seiner Augen.
„Sie also sind der Teufel!“ knirschte er mir zu. „Die andern wollen nicht, aber Sie zwingen sie, mich zu martern!“
„Pah! Meinen Sie, daß dies die richtige Art ist, mich zur Milde zu bewegen? Ich sehe, Sie sind noch nicht so weich geworden, wie ich Sie haben will. Ich muß Ihnen mehr Wasser geben.“
Bei diesen Worten schob ich das Gefäß wieder an die vorige Stelle, so daß die Tropfen ihn wieder auf den Kopf trafen.
„Nur das nicht“, schrie er auf. „Nur das nicht wieder! Nehmen Sie das Wasser weg! Ich will ja gestehen. Aber das Wasser weg!“
Der Desierto schob das Gefäß wieder fort und sagte:
„Ich will Ihnen den Willen tun. Nun sagen Sie aber auch, wo sich Señor Horno befindet!“
„Bei den Mbocovis am Rio Dorado.“
„Beschreiben Sie uns die Stelle!“
„Das ist unmöglich. Ich könnte den Weg und die Stelle noch so gut beschreiben, so würden Sie sie doch nicht finden.“
„So! Wie befindet er sich?“
„Ganz wohl. Es ist ihm nichts geschehen.“
„Warum haben Sie ihn überfallen?“
„Um ein Lösegeld zu bekommen.“
„Und ihm das Geld, welches er bei sich hatte, abzunehmen?“
„Nein. Er hatte kein Geld.“
„Hm! Hat er von mir gesprochen?“
„Alle Tage.“
„Und Sie haben ihn wirklich nicht gequält?“
„Nein. Er hat es wirklich gut gehabt.“
„So will ich Sie von Ihrem Leiden erlösen und Sie wieder hinein zu den Mbocovis schaffen lassen.“
Er machte abermals Miene, den Yerno loszubinden; ich hinderte ihn daran und sprach:
„Begehen Sie keine Torheit! Der Mann hat Sie belogen.“
„Ich habe die Wahrheit gesagt!“ schrie der Yerno, indem er seine blutunterlaufenen Augen auf mich richtete.
„Nein. Sie logen!“ behauptete ich.
„Jedes einzelne Wort ist wahr!“
„So! Also wir würden den Weg und die Stelle nicht finden und bedürfen also eines Führers?“
„Ja. Ich werde Sie hinführen.“
„Und der Ort liegt – an welchem Fluß, sagten Sie?“
„Am Rio dorado del Valle.“
„Nun, so ist es erwiesen, daß Sie gelogen haben. An diesem Fluß hausen Indianer, welche Ihren Mbocovis feindlich gesinnt sind; also werden diese letzteren Ihre Gefangenen nicht gerade in dieser so unsicheren Gegend verstecken. Sie lügen. Sie wollen uns veranlassen, mit Ihnen viele Tage lang durch den wildesten Chaco zu ziehen, und denken, daß Sie dabei gewiß Gelegenheit zum Entkommen finden werden. Wir lassen uns nicht betrügen. Da haben Sie das Wasser wieder!“ Ich brachte das Gefäß wieder in die richtige Lage. Er brüllte wütend auf und warf mir mehrere Flüche zu, welche nicht wiederzugeben sind. Ich aber nahm Pena und den Desierto am Arm und zog sie mit mir fort.
„Kommen Sie, da Sie das Geschrei nicht anhören können! Wir wollen zu den Mbocovis gehen, um ihnen zu essen und zu trinken zu geben.“
Noch als wir die Treppe hinunter stiegen, hörten wir die Stimme des nun doppelt wütenden Menschen hinter uns erschallen. Wir fanden Unica bei den gefangenen Indianern. Sie tat das, was wir jetzt hatten tun wollen. Sie war von einem zum andern gegangen, um sie, ohne ihre Banden zu lösen, zu speisen und zu tränken.
„Schade, daß ich die Sprache der Mbocovis nicht verstehe“, sagte ich. „Ich würde jetzt den Häuptling nach Horn ausforschen.“
„Das kann ich ja tun!“ meinte Pena.
„Versuchen Sie es! Aber machen Sie dabei keine Fehler!“
„Haben Sie keine Sorge; ich werde schon zu sprechen wissen.“
Er begann nun ein längeres Gespräch mit dem Roten. Erst wollte dieser nicht antworten, und dann schien er doch auf den Gedanken zu kommen, daß es besser sei, uns nicht in Zorn zu bringen. Er schien sogar gesprächig zu werden. Als beide endlich fertig waren, wandte sich Pena zu uns und sagte in frohem und selbstbewußtem Ton:
„Nun brauchen wir den Yerno nicht! Ich bin klug gewesen und habe alles heraus. Señor Horn steckt im Keller von Nuestro Señor Jesu-Cristo de la floresta virgen.“
„Unsinn!“
„Meinen Sie, daß ich so wenig scharfsinnig bin, mich von diesem Roten betrügen zu lassen?“
„Pah! Zanken wir uns nicht!
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