35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
Sie sich verlassen, wird keiner von Ihnen mehr leben.“
„Und was geschieht mit uns, wenn wir uns ergeben?“
Ich wollte antworten, aber der alte Desierto fiel statt meiner ein:
„So werden wir ein Bündnis mit Ihnen abschließen.“
„Wirklich?“ fragte der Kazike schnell und in frohem Ton. „Können wir uns darauf verlassen?“
„Ganz gewiß, vorausgesetzt, daß Sie uns nicht belügen und betrügen.“
„Das werden wir nicht, sicher nicht. Aber wir sollen Ihre Freunde werden und dürfen alles behalten, was wir besitzen?“
„Ja. Alles, was Ihnen gehört, auch die Waffen bleiben Ihr Eigentum. Ich werde Sie zwar nicht als Gefangene behandeln, aber sobald Sie sich ergeben, haben Sie alles, was Sie bei sich führen, einstweilen an uns abzugeben. Das ist so Kriegsbrauch.“
„Und dann?“ fragte der Kazike, indem er ein höchst enttäuschtes Gesicht machte.
„Dann führe ich Sie zu Ihren Kameraden, welche bereits meine Gefangenen sind und die ich freigeben wollte. Mit ihnen mögen Sie sich beraten.“
„Wenn wir aber über die Bedingungen des Freundschaftsbundes nicht einig werden, was geschieht dann?“
„Dann entlasse ich Sie mit allem, was Ihnen gehört, in Ihre Heimat. Freilich sehe ich da immer voraus, daß Sie aufrichtig mit uns handeln und uns nicht betrügen wollen.“
„Wir sind aufrichtig und werden es stets bleiben. Ich werde meinen Gefährten jetzt mitteilen, was wir gesprochen haben, und sie nach ihrer Meinung fragen.“ Er unterredete sich in halblautem Ton mit den anderen Roten. Ich verstand kein Wort, sah aber den Mienen dieser Leute an, daß sie nicht ohne Bedenken waren. Vielleicht hatten sie die Meinung, daß sie doch noch einen Versuch der Gegenwehr machen könnten, da es, wenn dieser mißglücke, noch immer Zeit sei, sich zu ergeben. Sie glaubten wohl nicht, daß wir so gerüstet seien, wie ich gesagt hatte, denn der Kazike wandte sich mit der Frage an mich:
„Ist es wirklich wahr, daß Sie so viel Pulver und Blei haben, daß Sie uns alle erschießen können?“
„Ja. Und haben Sie wohl schon die Gewehre gesehen, von denen jeder der Tobas eines besitzt?“
„Nun, Schießgewehre!“
„Das meine ich nicht. Ich will es Ihnen nicht mit Worten, sondern durch die Tat erklären. Passen Sie einmal auf!“
Der Mann trug ein rotes Tuch um den Kopf gewunden. Ich band es ihm ungeniert ab, befestigte es mit zwei Zipfeln an den Flintenlauf eines Toba und gebot dann diesem letzteren, das Gewehr emporzuhalten. Er mußte sich so stellen, daß das Tuch sich im Morgenwind ausbreitete und wie ein Fähnchen flatterte. Nun nahm ich den Stutzen zur Hand und sagte zu dem Kaziken:
„Ich werde so viele Löcher in das Tuch schießen, wie Sie an beiden Händen Finger haben, ohne zu laden, und diese zehn Löcher müssen aus der untersten Ecke links nach der obersten Ecke rechts eine gerade Linie bilden. Passen Sie auf!“
Ich entfernte mich, indem ich hundertfünfzig Schritte abzählte, legte dann auf das Fähnchen an, und gab, indem ich die Kugel, welche die Patrone enthielt, mit dem Drücker bewegte, die zehn Schüsse ab. Noch ehe ich zurückgekehrt war, befand das Tuch sich in den Händen Penas und des Desierto, die mit Verwunderung die gerade Linie betrachteten, welche von den Löchern gebildet wurde. Ich nahm es ihnen aus der Hand, gab es dem Kaziken und sagte:
„Sehen Sie es sich an! Soll ich noch zehn solcher Löcher hineinschießen, ohne zu laden, oder wissen Sie nun, was wir für Gewehre haben?“
Er blickte bald das Tuch, bald mich, bald den Henrystutzen an. Sein Gesicht hatte einen so ungeheuer dummen Ausdruck, daß ich mir Mühe geben mußte, ein ernstes Gesicht zu behalten.
„Aber, Señor“, stieß er fast stotternd hervor, „ohne – ohne zu laden! Und die Flinte hat doch nur einen Lauf und ein Loch!“
„Das ist noch wenig. Ich frage Sie ja, ob ich noch zehnmal schießen soll!“
„Um Gottes willen, nein! In dieser Flinte steckt der Teufel! Die ist in der Hölle gemacht worden! Ich mag sie nicht mehr sehen!“
Er streckte die beiden Hände weit von sich und zog ein ganz unbeschreibliches Gesicht dazu.
„Wenn Sie dieses Gewehr schon gar nicht ansehen wollen, wie würden Sie es dann wohl empfinden und fühlen, wenn ich es im Ernst gegen Sie und Ihre Leute richte! Bei jedem Schuß würde ein Mann fallen.“
„Sie haben zwei Gewehre, Señor. Mit welchem haben Sie vorhin geschossen? Mit dem großen da?“
„Ja.“
„Schon das war fürchterlich; aber dieses
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