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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kleine hier ist noch viel schrecklicher. Legen Sie es fort, denn ich mag nichts von demselben wissen. Ich werde mit meinen Gefährten nochmals sprechen.“
    Er wandte sich wieder an die anderen Indianer, denen meine Schießprobe, welche, aufrichtig gestanden, gar keine große Geschicklichkeit erforderte, ebenso imponiert hatte wie ihm. Während sie sich dieses Mal ganz leise unterredeten, kehrten ihre Blicke mit dem Ausdruck der Sorge immer wieder zu meinen beiden Gewehren zurück. Es war klar, daß sie Angst bekommen hatten. Endlich erklärte der Kazike:
    „Wir nehmen die Bedingungen an und ergeben uns, erwarten aber ganz bestimmt, daß Sie Wort halten werden!“
    „Das werden wir“, antwortete der Desierto. „Doch setzen wir voraus, daß Sie ohne Lug und Trug gesprochen haben.“
    „Wir haben nicht ein unwahres Wort gesagt. Dürfen also nun meine Leute das Gebüsch verlassen, ohne daß ihnen eine Gefahr droht?“
    „Jetzt noch nicht. Zunächst müssen alle Waffen und alles andere Eigentum abgeliefert werden.“
    „Die Pferde noch nicht?“
    „Gewiß. Wenn sie Ihr Eigentum sind, erhalten Sie sie zurück. Gehen Sie jetzt nach Ihrem Lager. Zehn Mann mögen alles bringen. Dann werden Sie weitere Botschaft erhalten.“
    Die Mbocovis standen auf und entfernten sich. Sie waren überzeugt, ein nach den gegenwärtigen Umständen sehr vorteilhaftes Übereinkommen getroffen zu haben. Als sie so weit fort waren, daß sie uns nicht hören konnten, sagte der Desierto zu mir:
    „Das haben wir ihrem verteufelten Stutzen zu verdanken, welcher sie in grimmige Angst versetzt hat. Man sollte es nicht für möglich halten, so viele Feinde zu besiegen oder gar gefangenzunehmen, ohne daß einem dabei ein Haar gekrümmt worden ist!“
    „Mit den Versprechungen ist es Ihnen doch nicht Ernst?“
    „Vollständig Ernst!“
    „Nun, dann haben diese Halunken ein sehr gutes Geschäft gemacht. Anstatt die verdiente Strafe zu erleiden, werden sie zu Freunden und Bundesgenossen gemacht. Ich lasse mir allenfalls ein wenig Menschlichkeit gefallen, aber das Verbrechen geradezu zu belohnen, das halte ich denn doch nicht für geraten!“
    „Wer spricht denn von Belohnung?“
    „Ihre Bedingungen enthalten unbedingt einen Lohn!“
    „Ja, aber was für einen! Haben Sie denn nicht gehört, was ich wiederholt vorausgesetzt habe? Ich habe mir jede Lüge und Hinterlist, jeden Lug und Trug verbeten. Der Kazike hat uns belogen; er will uns betrügen. Darum brauche ich mein Wort nicht zu halten. Dieser dumme Mensch wollte uns überlisten und wird in seine eigene Faust laufen. Was hat er uns über den Sendador weiß machen wollen! Und daß er behauptet, niemals einen Weißen gefangengenommen zu haben, ist ein Beweis, daß er uns für vollständig ununterrichtet hält. Er wird nicht auf das freudigste überrascht sein, wenn er erfährt, wie es eigentlich steht.“
    „Aber wie wollen Sie so viele Leute unterbringen?“
    „Da sorgen Sie sich ja nicht! Ich habe vollständig Platz. Sie werden im Bethaus untergebracht.“
    „Das ist nicht gut verwahrt; sie können leicht ausbrechen.“
    „Das wollen wir ihnen wohl nicht so leicht machen. Sie wissen wohl noch nicht, daß sich ein großer Keller dort befindet?“
    „Ah so! Aber sie werden nicht freiwillig da hinunter wollen.“
    „So zwingen wir sie. Ich sorge dafür, daß nur der Kahn von gestern abend da ist, welcher mit dem Ruderer sechs Personen faßt, und daß sich zehn meiner kräftigsten Indianer im Haus befinden, welche mit den einzeln ankommenden Mbocovis wenig Federlesens machen werden. Ich muß überhaupt einen Boten ins Dorf senden, welcher zu melden hat, daß unser Plan gelungen ist. Der Mann soll die nötigen Befehle mitnehmen, damit alles vorbereitet ist, wenn wir kommen.“ Er winkte einen seiner Leute herbei, welchem er eine sehr ausführliche Instruktion erteilte. Diese nahm so viel Zeit in Anspruch, daß der Alte erst fertig war, als die zehn Mbocovis mit der Kriegsbeute sich näherten. Sie führten die Pferde, auf welche man die meisten Gegenstände geladen hatte. Mit Entzücken sah ich, daß mein Brauner dabei war. Am liebsten wäre ich dem Pferd entgegengerannt, aber ich blieb stehen, um zu sehen, ob es mich von selbst erkennen werde.
    Die Waffen und andere Gegenstände wurden abgeladen. Ich stand von ferne und schaute zu. Als der Braune sich seiner Bürde entledigt fühlte, suchte er nach Gras. Dabei richtete er den Kopf bald hin und bald her. Sobald ich mich innerhalb seines

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