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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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noch der Gestalt erinnern, welche das Dorf besitzt?“
    „Sehr genau, denn sie ist bei den Indianern außerordentlich selten anzutreffen. Die Niederlassung bildet nämlich ein genaues Rechteck.“
    „Das ist gut für uns“, bemerkte ich, „da diese Gestalt uns den Angriff ungemein erleichtert. Hätte das Dorf eine langgestreckte oder überhaupt unregelmäßige Figur, so müßten wir uns zerstreuen und mancher der Bewohner könnte uns entkommen.“
    „Der Ort ist von den Jesuitenpatres angelegt worden“, sagte Pena zu dem Alten; „denn es gibt sogar heute noch eine Kirche da.“
    „Eine Kirche?“ fragte der Desierto. „Von der weiß ich nichts.“
    „Nun, wenn ich von Kirche spreche, so dürfen Sie freilich nicht an ein mächtiges Gebäude mit hohem Turm denken. Sie ist auch nur eine Hütte, aber die größte und geräumigste des Ortes.“
    „Ist ein Kreuz an oder auf diesem Bauwerk zu erblicken?“
    „Nein.“
    „So ist es auch keine Kirche. Zwar sind viele Mbocovis Christen, aber nur dem Namen und dem Schein nach. Eine Kirche brauchen sie sicherlich nicht. Gab es einen Priester dort?“
    „Nein.“
    „So dient das Gebäude gewiß einem ganz anderen Zweck. Waren Sie drin?“
    „Nein. Man erlaubte es mir nicht. Als ich den Wunsch dazu aussprach, erhielt ich die Antwort, die Casa de nuestro Señor dürfe kein Fremder betreten.“
    „Die Casa de nuestro Señor, also das Haus unseres Herrn. Das klingt freilich ganz so, als ob es den Zweck eines Gotteshauses habe.“
    „Ganz dasselbe dachte auch ich. Es muß aber ein Geheimnis dabei sein.“
    „Welches sich vielleicht unschwer erklären läßt“, fiel ich ein.
    „Wieso?“ fragte der Alte.
    „Dadurch, daß mit den beiden Worten nuestro Señor nicht Gott oder Christus, sondern der Sendador gemeint ist.“
    „Ah! Wie kommen Sie zu dieser auffälligen Vermutung?“
    „Sie ist nicht auffällig, sondern sehr gerechtfertigt. Señor bedeutet nicht nur Herr, sondern auch Oberhaupt, Gebieter, Befehlshaber, überhaupt eine Person, welche die anderen in irgendeiner Beziehung überragt.“
    „Das ist ganz richtig, aber noch kein Grund, hierbei an den Sendador zu denken.“
    „O doch! Es ist fast Gewißheit, daß er seinen Hauptaufenthalt hier hat. Befindet er sich oft und viel hier, so übt er als Weißer und gerade als der Mann, der er ist, gewiß einen größeren Einfluß auf die Roten aus, als selbst der Häuptling derselben. Er hat ihnen durch seine Raubzüge Nutzen gebracht und, wenn auch nur in seiner Weise, Gutes erwiesen. Wir haben ja gehört, daß die Mbocovis überzeugt sind, daß der Sendador sie nie betrogen habe. Ist es da ein Wunder, wenn sie, sich der spanischen Worte bedienend, ihn nuestro Señor, unser Herr, unser Befehlshaber nennen? Er hat ja auch wirklich bewiesen, daß er ihr Befehlshaber ist.“
    „Hm! Ihre Logik hat etwas für sich.“
    „Nicht wahr? Es ist doch leicht erklärlich, daß der Sendador den Roten nicht erlaubt, einen Fremden, zumal einen Weißen, sein Haus betreten zu lassen. Vielleicht, ja sehr wahrscheinlich, ist in demselben gar manches zu sehen, was auf die verborgene und verbrecherische Wirksamkeit des Sendador ein Licht wirft und überhaupt seine Geheimnisse verrät. Aber ergehen wir uns nicht in Vermutungen, die doch nur unnütz sind. Ich denke, wir werden bald Gelegenheit haben, dieses mysteriöse Haus zu betreten und seinen Zweck und Inhalt kennenzulernen. Warum wollen wir uns über eine Sache, welche bald klar vor uns liegen wird, unnötigerweise den Kopf zerbrechen?“
    Wir hatten mittlerweile den Sand hinter uns gelegt, befanden uns auf der schmalen Savanne und sahen den Wald vor uns liegen. Es war unmöglich, uns demselben unbemerkt zu nähern. Befand sich ein Mbocovi dort, so mußte er uns sehen, darum war es am besten, schnell zu reiten. Wir ließen also unseren Pferden die Zügel schießen und jagten im Galopp dem Saum der Bäume zu. Dort angekommen, ließ ich halten, sprang aus dem Sattel und suchte nach rechts und links den Boden ab. Es war keine Spur eines erst dagewesenen Menschen zu entdecken, und wir durften also annehmen, daß wir nicht bemerkt worden seien. „Wie breit ist der Wald?“ fragte ich den Desierto.
    „Wenn wir im Schritt reiten, brauchen wir wohl eine Stunde“, antwortete er. „Es ist also nun Zeit, vorsichtig zu sein. Sie reiten voran. Ihre Tobas folgen Ihnen, indem sie einzeln hintereinander reiten. Der vorderste von ihnen läßt zwischen sich und Ihnen einen so großen Abstand,

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