35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
Vögel schießen und schlief darüber ein, weil ich müde war.“
„Sprich leiser!“ gebot ich ihm. „Zu welchem Volk gehörst du?“
„Ich bin ein Mbocovi aus dem Dorf, welches nicht weit von hier an der Laguna liegt.“
„Meinst du die Laguna de Bambú?“
„Ja. Wollen Sie hin? Ich will Sie hinführen. Aber stechen Sie mich nicht und schießen Sie mich nicht! Man hat mich schon einmal mit einem Giftpfeil hierher geschossen und dann bin ich lange Zeit sehr krank gewesen. Seit dieser Verwundung kriecht mir zuweilen ein Jaguar in den Kopf und brüllt in demselben tagelang. Also schießen Sie mich nicht!“
Er zitterte vor Angst. Es war klar, daß der Alte infolge des Giftpfeils, welcher ihn in die Schulter getroffen und dort eine tief ausgeschwärte Narbe zurückgelassen hatte, geistesschwach geworden war. Vielleicht wurde er sogar tobsüchtig, wenn der Gedanke über ihn kam, daß sich ein Jaguar in seinem Kopf befinde. Daß man diese Person ohne Aufsicht in den Wald gelassen hatte, war ein Zeichen, daß die Mbocovis sich ganz sicher fühlten; sie waren überzeugt, daß ihre ausgezogenen Gefährten als Sieger und mit reicher Beute zurückkehren würden. Das Nahen eines Feindes aber hielten sie wohl für ganz ausgeschlossen.
„Ich tue dir nichts“, versicherte ich ihm. „Du brauchst dich nicht zu ängstigen.“
„Aber Sie haben mich beinahe erdrosselt. Wer sind Sie?“
„Ich bin ein Fremder hier im Land und will zu euch.“
„Als was? Als Freund oder Feind?“
„Das wird ganz darauf ankommen, ob du mich als Freund oder Feind behandelst.“
„Ich bin krank und behandle einen jeden, der mir nichts tut, als Freund. Und ich bin ein vornehmer Freund, denn ich war der Hechicero (Zauberer) unseres Stammes. Aber seit mich der Giftpfeil getroffen hat, glaubt niemand mehr an mich.“
„Sind noch Leute deines Stammes hier im Wald?“
„Nein, kein einziger.“
„Weiß man, daß du hier bist?“
„Niemand bekümmert sich um mich und niemand gibt mir freiwillig zu essen. Ich muß lange bitten, ehe ich etwas erhalte. Darum wandere ich oft wochenlang im Wald herum und schieße mit dem Bogen Vögel, die ich dann mit diesem Messer zerschneide, um sie roh zu – – –“
Er hielt inne, denn er hatte nach seinem Messer gegriffen und es vermißt. Ich zog es aus dem Gürtel, gab es ihm und sagte:
„Hier ist es. Ich nahm es dir vorhin ab, will es dir aber wiedergeben, damit du erkennst, daß ich es gut mit dir meine.“
„Ja, Sie meinen es gut mit mir, sonst hätten Sie mir mein Messer nicht wiedergegeben, ohne welches ich nicht leben kann. Sie sind mein Freund.“
„Ich will es sein und für dich sorgen, daß du nicht mehr zu hungern brauchst, sondern Früchte, Mehl und gebratenes warmes Fleisch bekommst. Sind alle Krieger deines Stammes beisammen?“
„Nein, Señor. Sie sind fort.“
„Wohin?“
„Das weiß ich nicht. Man sagt es mir nicht. Aber ich habe gehört, daß sie mit dem Yerno fort sind, nuestro Señor zu suchen und dann mit großer Beute zurückzukehren.“
„Kennst du diesen nuestro Señor?“
„Natürlich!“
„Weißt du, ob er noch einen anderen Namen hat?“
„Freilich weiß ich es. Ich bin oft mit ihm, ehe mich der Giftpfeil traf, in den Städten und auf den Estanzias der Weißen gewesen und habe dort die Sprache derselben gelernt. Wenn er einen Raubzug unternehmen wollte, mußte ich den Stamm dazu begeistern. Er versprach mir dafür viel Geld und Gut, hat mir auch viel dafür gegeben; aber nun, da mich der Giftpfeil getroffen hat, hat er mir alles wieder genommen, und ich bekomme nichts mehr.“
„Nun, wie heißt der Mann?“
„Als er ein Kind war, hat sein Priester ihn Geronimo Sabuco getauft. Gewöhnlich aber wird er el Sendador genannt.“
„Weißt du, wo er wohnt?“
„Er ist überall, bald hier und bald dort, am meisten und liebsten aber hier bei uns, wo er ein großes Haus hat.“
„Wird dieses Haus die Casa de nuestro Señor genannt?“
„Ja, denn es gehört ihm, und er ist unser Señor.“
„Ist dieses Haus leer?“
„O nein. Es befinden sich Waren darin, welche er von seinen Reisen mitbringt, um sie an uns zu verkaufen oder zu vertauschen, und Sachen, welche sein Anteil von der Beute waren, die wir machten, wenn wir mit ihm gegen die Weißen zogen oder einen von ihnen zum Gefangenen machten und Geld und Sachen erhielten, um ihn freizulassen.“
„So gibt es also bei euch zuweilen weiße Gefangene?“
„Sehr oft. Der Sendador oder sein
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