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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Mein Vater erkannte ihn und nahm ihn mit in das Haus. Er wollte ihm Geld geben, damit er schweige. Der Krieger nahm das Geld nicht; er erfuhr, daß mein Vater ein neues Weib habe, und als er ging, war sein Messer rot.“
    „Ah! Was hat er getan?“
    „Was jeder Toba getan hätte.“
    „Herrgott! Deinen Vater hat er erstochen! Graut dir nicht dabei, wenn du daran denkst?“
    „Nein. Er war ein Verräter; ihm ist sein Recht geschehen.“
    Sie sagte das so kalt, als ob sie von dem fremdesten Menschen spreche. Dann fuhr sie fort:
    „Meine Mutter hat ihn sehr lieb gehabt; als er fort war, wurde sie krank und starb. Nun bin ich die Königin.“
    „Und der, den du zum Mann nimmst, wird Herrscher deines Volkes?“
    „Ja. Aber die Tobas werden keinen König wieder haben.“
    „So willst du dich nicht verheiraten?“
    „Nein. Auch er ist fort und kommt nicht wieder. Ich freue mich, daß ich sein Weib nicht geworden bin. Der Tío sagte, ich sei noch zu jung dazu. Er hätte mich auch verlassen, wenn er mein Mann geworden wäre.“
    „Wer war es denn?“
    „Ein Cascarillero.“
    „Jung?“
    „Jung und schön, stark und mutig. Alle Mädchen liebten ihn; aber er liebte nur mich, doch auch nur so lange, bis er ging.“
    „Vielleicht kehrt er noch zurück?“
    „Nein. Die Zeit, welche wir ihm stellten, ist doppelt verflossen.“
    „Hat er euch auch bestohlen?“
    „Ja.“
    „Hm! Ich frage danach, weil, wenn er in dieser Beziehung ehrlich gewesen wäre, Hoffnung vorhanden sein würde, daß er dennoch treu geblieben ist. Was hat er gestohlen?“
    „Geld, viel Geld vom Tío und dem Stamm.“
    „Dann wäre er ein ebenso gewissenloser Mensch, wie dein Vater war. Wie lange ist er hier gewesen?“
    „Mehrere Jahre. Der Tío fand ihn verwundet in dem Wald und brachte ihn nach der Lagune, um ihn zu heilen. Er gewann ihn lieb und erlaubte ihm, bei uns zu bleiben. Er nahm ihn stets mit, wenn er ging, um Gold zu suchen oder Cascarilla zu sammeln. Dann liebten wir uns, und die Häuptlinge traten zur Beratung zusammen, wie damals bei meiner Mutter. Sie wollten Nein sagen und mich zwingen, einen aus meinem Volk meine Hand zu geben; aber der Tío hatte ihn auch lieb gewonnen und sprach für ihn und mich. Da gaben sie ihre Erlaubnis. Darauf kam die Zeit des Jahres, in welcher wir die Cascarilla nach dem Fluß schaffen. Der Transport erreichte denselben; unsere Leute bauten ein Floß und luden die Cascarilla darauf. Es wurde bemannt, und er machte den Anführer, denn er sollte die Cascarilla nach Santa Fé schaffen, sie dort verkaufen und dann mit dem Geld zurückkommen. Unsere Ruderer kehrten zurück. Sie hatten ihn bis zum Schiff begleitet, in welches die Cascarilla übergeladen worden war; er aber ist entflohen.“
    „Wenn es so steht, so kannst du nicht behaupten, daß er ein Dieb sei. Er kann verhindert gewesen sein, sein Wort bis jetzt zu halten.“
    „Das hoffte ich und glaubte es gern; nun aber ist meine Hoffnung vorüber. Der Tío hat einen Boten nach Santa Fé gesandt und erfahren, daß die Cascarilla verkauft und das Geld dafür ausgezahlt wurde. Ist das nicht der Beweis, daß der Verräter gestohlen hat?“
    „Nein. Es ist Krieg in jenen Gegenden, und der Weg nach hier führt durch das Gebiet feindlicher Indianer. Wer weiß, wo er sich befindet, wo er steckt! Wer weiß, ob er noch lebt!“
    Sie blickte durch das Fenster hinaus auf den See. Ihre harten, starren Züge, die das Gesicht in den letzten fünf Minuten angenommen hatten, wurden weicher und immer weicher, und in mildem Ton fragte sie:
    „Señor, meinen Sie, ich brauche noch nicht zu zweifeln?“
    „Das ist meine Ansicht. Selbst wenn er nie zurückkehren sollte, haben Sie kein Recht, ihn für einen Lügner, einen Meineidigen und Dieb zu halten. Dieses Recht haben Sie erst dann, wenn Sie beweisen können, daß er noch lebt und sich das fremde Geld unrechtmäßigerweise angeeignet hat.“
    „Ich danke Ihnen, Señor! Sie haben recht. Mein Herz war hart geworden. Ich will ihn nicht hassen. Vielleicht kommt er noch zurück. Aber sagten Sie nicht, daß der Tío auch in den Garten kommen wolle? Was hat er zu tun? Sie sind seine Gäste, und ich muß Sie doch bewirten.“
    Ich nahm, als ob ich es betrachten wolle, ihr Gewehr in die Hand. Es war noch nicht wieder geladen. Das beruhigte mich, denn diesem Mädchen war es zuzutrauen, wenigstens den Versuch zu machen, auf uns zu schießen.
    „Er kann noch nicht kommen“, antwortete ich, indem ich das Gewehr an seinen

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