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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ernsthaft zu nennen.“
    „Spaßhaft? Soll ich es einen Spaß nennen, daß dieser Señor, der alles heruntersäbelt, fünfhundert Blutegel mit sich schleppt, um sie mir bei nachtschlafender Zeit auf den Leib zu setzen?“
    „Fünfhundert?“ rief Don Parmesan. „Neunzig sind es gewesen, nicht mehr als neunzig. Es waren gerade nur dreißig in jeder Flasche!“
    „Ist das etwa nicht genug? Neunzig, sage neunzig Blutegel sitzen mir auf der Haut. Sie nagen an meinem Leben; sie entleeren meine Adern; sie trinken den kostbaren Saft meines deutschen Blutes! Rechne ich auf jeden ein halbes Pfund, so habe ich in dieser Nacht fünfundvierzig Pfund Blut verloren!“
    „Der Mensch hat ja nicht mehr als zehn Pfund Blut, lateinisch Sanguis genannt“, fiel Morgenstern belehrend ein.
    „Ja, zehn Pfund lateinisches Sanguis!“ fuhr Fritze zornig auf. „Ich aber stamme vom Rummelsburger See, und dort hat das Blut ein ganz anderes Gewicht. Wer gibt mir das Quantum, welches ich verloren habe, wieder?“
    „Ich, ich!“ antwortete der Chirurg sofort und in höchst zuversichtlichem Tone. „Ich gebe Ihnen alles zurück, ja nicht nur alles, sondern noch weit mehr, als Sie verloren haben.“
    „So? Wie wollen Sie das machen?“
    „Nichts ist leichter als das. Es ist mehr Blut, als wir dazu brauchen, vorhanden. Wir schießen einige Krokodile tot, und da können Sie so viel trinken, wie Sie wollen.“
    Der Mann hatte dies im vollsten Ernst gesprochen, dennoch brachen alle in ein lautes Gelächter aus, nur Fritze nicht. Dieser schrie ihn vielmehr zornig an: „Was war das, was Sie mir zumuten? Krokodilblut soll ich trinken? Soll ich Euer Gnaden mit diesen meinen Fäusten beweisen, daß dies kein Trank für eine deutsche Kehle ist?“
    Er wollte den anderen wieder packen; der Vater Jaguar aber hielt ihn zurück, indem er freundlich mahnte: „Bitte nicht neue Tätlichkeiten. Kommen Sie beide mit mir dort hinter das Gesträuch! Dort wollen wir einmal nachsehen, welchen Schaden die Tiere angerichtet haben.“
    „Gut, sehen wir nach!“ willigte Fritze ein. „Sie werden da erkennen, daß ich nicht nur angezapft, sondern geradezu verzapft worden bin, wie ein Bierfaß, welches nicht mehr läuft.“
    „Ja, sehen wir nach!“ stimmte auch der Chirurg bei. „Aber sehen wir nicht nach, welchen Schaden meine Blutegel bei ihm verursacht haben, sondern welchen er unter ihnen angerichtet hat!“
    Die drei entfernten sich und verschwanden hinter den Büschen. Bald waren laute Ausrufe zu hören; dann kam Fritze plötzlich mit entblößtem Oberleib aus dem Gesträuch herbeigerannt und rief erbost: „Señores, sehen Sie mich an! Bin ich noch ein Mensch? Oder bin ich eine Haut, welche ein Blutegelhändler als Musterkarte vorzeigen kann?“
    Man hätte diese letztere Frage wohl bejahen mögen, denn soweit man seine ‚Haut‘ zu sehen vermochte, war dieselbe von noch blutenden Saugwunden und zerquetschten Egeln bedeckt. Und der Chirurg kam ihm mit ebenso entblößtem Oberkörper nachgesprungen und schrie: „Sie sind alle hin, alle, alle! Es ist kein einziger am Leben geblieben. Sehen Sie mich und diesen Mörder an, Señores! Ich hätte sie ihm und mir mit der größten Kunstfertigkeit abgenommen. Er brauchte ihnen nur zu erlauben, sich vollzusaugen. Er aber hat sie erschlagen und sich mit mir so lange im Gras gewälzt, bis auch der allerletzte zerdrückt und zerquetscht worden ist. Wer ersetzt mir nun meine Egel?“
    „Und wer mir mein Blut?“ fragte Fritze.
    „Niemand; dann sind Sie quitt miteinander“, antwortete Hammer, der ihnen langsam nachgegangen kam.
    „Das nennen Sie quitt?“ entgegnete Kiesewetter. „Ist nicht ein Tropfen meines Blutes tausendmal mehr wert als zehntausend solche Würmer? Und wer reinigt mich? Wer wäscht mich ab? Wer macht mich aus dieser Musterkarte wieder zu einem Menschen?“
    „Don Parmesan.“
    „Das will ich gelten lassen; das ist das erste gescheite Wort, welches in dieser Angelegenheit gesprochen worden ist.“
    „Und wer aber säubert mich?“ fragte der Chirurg dagegen.
    „Ich“, antwortete El Picaro freiwillig. „Ich tue es aus Mitleid um die lieben Tiere, die so mitten in ihrem schönsten Lebensgenuß haben sterben müssen.“
    „Hüte dich, daß ich dich nicht auch mitten aus deinem jetzigen Genuß reiße!“ warnte ihn der Vater Jaguar. „Es scheint, daß auch du in vollster Wonne schwelgst.“
    Jetzt erklärten sich auch noch andere bereit, bei der Prozedur behilflich zu sein. Die beiden

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