36 - Das Vermächtnis des Inka
anblickend, diesen fragte: „Fritze, was hast du da im Gesicht? Ich denke, wir befinden uns an der Quelle der Krokodile und nicht an derjenigen der Blutegel!“
„Freilich ist dat richtig“, antwortete der Gefragte. „Sie werden doch wissen, wo wir heut alljejenwärtig sind! Wir haben dat Vergnüjen, uns bei die Krokodils zu befinden.“
„Aber es ist doch kein Krokodil, sondern ein Blutegel, welcher dir an der Wange, lateinisch Gena, hängt. Und über der Nase hast du dir einen zweiten zerdrückt!“
„Fällt mich nicht im Traum ein! Ick quetsche mich weder einen Blutejel noch ein Krokodil auf die Nase fest.“
„Und doch hast du es getan. Greif nur an die rechte Wange! Da hängt einer, und was für einer! Er hat sich vollständig dick gesaugt.“
Fritze wollte dieser Aufforderung folgen und erhob die Hand. Da fiel sein Blick auf dieselbe; er ließ sie wieder sinken, starrte sie erstaunt an und rief sodann aus: „Wat ist denn dat? Da hängt ein fremdes Jeschöpf, welches jar nicht zu mich jehört, an meine Hand! Ist dat ein Polyp oder eine jebackene Rettichsbirne?“
Er betrachtete den Egel, welcher allerdings in Birnenform von seiner Handoberfläche herniederhing. Er schüttelte die Hand, aber das Tier hing fest.
„Ein Blutegel ist's“, erklärte Morgenstern. „Und der im Gesicht ist noch viel größer und dicker.“
Fritze fuhr sich in das Gesicht, fühlte das Tier, faßte es fest, riß es los und warf es von sich. Natürlich begann die Stelle sofort zu bluten.
„Blutejel sind's, wahrhaftig, Blutejel! Fui Spinne!“ schrie er auf. „Die habe ick an der letzten Quelle aufjelesen.“
Die Argentinier lachten alle, obgleich sie seine Worte nicht verstanden. Er hatte am Hals noch einen Egel und einen anderen hinter dem Ohr sitzen. Seitwärts hinter ihm stand Don Parmesan. Diesem hingen zwei Egel am Kinn. Er fühlte sie nicht. Er sah, um was es sich handelte, trat rasch vor und sagte zu Fritze, natürlich in spanischer Sprache: „Sie haben Sanguijuelas im Gesicht, am Hals und am Ohr, Señor. Ich werde sie Ihnen abnehmen. Ich verstehe das. Halten Sie still; ich tue Ihnen nicht weh. Sie wissen, daß für mich nichts zu schwer ist. Ich nehme alles herunter.“
Er griff nach dem Egel am Hals des anderen; dieser aber gab ihm lachend zurück: „Operieren Sie erst sich selbst, Don Parmesan! Sie haben ja auch zwei Stück am Kinn hängen.“
„Ich?“ fragte der Chirurg erstaunt. Er griff nach der bezeichneten Stelle und fühlte die Anhängsel. Da fuhr er erfreut fort: „Das ist gut! Die sind mir angekrochen, als ich mit den Füßen im Wasser saß. Ich habe sie hierher getragen, ohne es zu wissen. Ich werde sie abnehmen, ohne ihnen weh zu tun, und sie dann zu den anderen in die Flasche stecken. Warten Sie, Señor! Dann befreie ich Sie auch von den Ihrigen.“
Er machte einen leisen Versuch, seine Blutsauger zu entfernen, und da sie voll und satt waren, gelang es ihm sehr leicht. Dann bückte er sich nach seinen Flaschen nieder, hob die eine empor, machte ein verblüfftes Gesicht, nahm die andere und auch die dritte auf und rief dann bestürzt aus: „Leer! Alle drei sind leer! Wo sind meine Sanguijuelas hin?“
Ein allgemeines lautes Gelächter antwortete ihm. El Picaro hatte seinen Gefährten ein heimliches Zeichen gegeben; sie verstanden ihn und wußten sogleich, woran sie waren. Darum antwortete Geronimo dem erstaunten Chirurgen: „Wohin sie sind? Das müssen Sie doch fühlen, Don Parmesan. Ich glaube, Sie tragen sie alle an Ihrem Leib. Und unser lieber Señor Federico mag auch einmal nachsehen, ob diejenigen, welche wir bis jetzt an ihm sehen, die einzigen sind, die sich für ihn interessieren.“
Er trat zu dem Genannten, nahm ihm den Gürtel ab, zog die Brustschlitze des Hemdes auseinander und fuhr dann lachend fort: „Dachte es mir! Eine ganze Kolonie von Blutegeln, einer immer neben dem anderen! Señor, die lieben Tiere müssen eine ungemeine Zuneigung für Sie haben!“
„Danke für die Zuneigung!“ antwortete Fritze zornig, indem er nach seiner Brust griff, um die Egel abzureißen. Da aber fiel Don Parmesan ihm in die Arme, hielt dieselben fest und schrie entsetzt: „Halt, halt, Señor! Meine Flaschen sind leer; das sind also meine Sanguijuelas, an denen Sie sich nicht vergreifen dürfen! Sie sind mir entschlüpft, und ich muß sie mir wieder einfangen, einzeln und behutsam, damit ich keinen verletze.“
„Ach, was geht es mich an, wem diese Raubtiere gehören!“ antwortete
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