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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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‚An- und Abgezapften‘ wurden an das Wasser gestellt und gehörig eingeweicht und abgerieben. Was sie dabei fühlten, behielten sie für sich, doch wurde es durch ihre schmerzlich bewegten Mienen genügsam verraten. Als es zu Ende war, meinte Fritze, nun endlich einmal lachend: „Danke, Señores! Die lebhaften Empfindungen, welche Sie mir soeben bereiteten, haben mich überzeugt, daß ich wenigstens noch nicht ganz tot bin und noch Hoffnung haben darf, mich meines Daseins auch fernerhin zu erfreuen. Wer in dieser Weise zu fühlen vermag, der stirbt noch lange nicht. Don Parmesan, reichen Sie mir Ihre Hand! Wir haben miteinander gelitten und wollen uns versöhnen. Ein anderes Mal aber lassen Sie Ihre Egels nur dann gegen mich los, wenn ich an einer Geschwulst oder Entzündung laboriere. Hätten Sie Ihre Flaschen besser zugebunden, so wären wir verschont geblieben.“
    „Ich konnte sie nicht besser zubinden, als es geschehen ist“, antwortete der Angeklagte, indem er ihm die Hand schüttelte. „Wie es gekommen ist, daß die Tiere heraus – – –“
    Er hielt inne. Er hatte bei diesen Worten den Blick zufällig auf die Flaschen gerichtet. Vorhin hatte er in der Eile nur bemerkt, daß sie keine Egel mehr enthielten; jetzt aber sah er, daß der Verschluß noch da war. Er hob sie auf, betrachtete sie und fuhr dann in erstauntem Ton fort: „Was ist denn das? Sie sind ja genau noch so fest verschlossen, wie ich sie zugebunden habe! Oder sind etwa Löcher darin? Das Wasser ist ja auch heraus!“
    Er nahm sie von allen Seiten in Augenschein und schüttelte den Kopf, als er nicht das kleinste Löchlein zu bemerken vermochte.
    „Wundern Sie sich nicht, Señor“, sagte El Picaro. „Die Sache ist sehr einfach.“
    „Einfach? Wie denn?“
    „Das finden Sie nicht? Der erste Egel, welcher heraus ist, hat die Flasche aufgemacht, und der letzte hat sie, wie ganz in der Ordnung war, wieder zugebunden.“
    Alle lachten. Der Chirurg sah den Sprecher nachdenklich an; dann blitzte es wie ein Erkennen über sein Gesicht, und er fragte: „Sind vielleicht Sie dieser letzte Egel gewesen, Señor? Ihnen ist wohl zuzutrauen, daß Sie eine Flasche gut zuzubinden verstehen! Hoffentlich erfahre ich bald mehr über diese Angelegenheit, und dann werden Sie mir Genugtuung geben müssen!“
    „Sehr gern, Don Parmesan, aber nur jetzt noch nicht, denn, wie ich sehe, sattelt der Jaguar schon sein Pferd. Er will aufbrechen, und so haben wir leider zu nichts anderem Zeit.“

ELFTES KAPITEL
    Anton und Hauka auf dem Kriegspfad
    Hammer rüstete sich zum Antritt der Weiterreise, und die anderen mußten dasselbe tun. Der nun folgende Ritt verlief genauso wie der vorhergehende. Man übernachtete des Abends in einsamer, sandiger Gegend und kam am nächsten Mittag an der Fuente gemela an.
    Dieser Ort hatte, wie bereits erwähnt, seinen Namen daher, daß dort zwei Quellen nahe beieinander entsprangen, um dann bald ihr Wasser zu vereinigen; es war eine ‚Zwillingsquelle‘, welche nach dem Zusammenfließen einen kleinen Bach bildete, der seinen Lauf nach einem See von wunderbar klarem, reinem Spiegel nahm. Dieser See war von beinahe kreisrunder Gestalt und konnte einen Durchmesser von wohl tausend Schritt haben.
    Man merkte hier, daß man in nordwestlicher Richtung geritten war und sich also dem Äquator um einige Grade genähert hatte, denn die Umgebung des Sees zeigte schon eine mehr tropische Vegetation. Die Ufer waren von Tacuarasrohren umsäumt, welche eine Höhe von bis zu zehn Meter besaßen. Daran schloß sich eine Laurelenwaldung, in welcher einzelne Cribobäume eine angenehme Unterbrechung bewirkten. Sogar Caranday-Palmen waren schon zu sehen, und weiter zurück, wo der Boden weniger Feuchtigkeit besaß, konnte man die phantastischen Gestalten baumhoher Aloes erblicken. Dazwischen stand das Gras so hoch und dicht, daß es den Pferden bis an die Leiber reichte. Verschiedene Vögel, besonders Kolibris, bevölkerten die Zweige; im Gras gewahrte man die Fährten vierfüßiger Tiere, und an den See brauchte man nur zu treten, um zu sehen, daß sein Wasser reich an Fischen war.
    „Hier brauchen wir nicht nur Fische zu essen“, meinte Geronimo, indem er auf die Fährte eines Hirsches deutete. „Vielleicht gelingt es uns, einen bessern Braten zu schießen.“
    „Diese Fährte sagt uns, daß die Wüste zu Ende ist“, antwortete der Vater Jaguar, „denn der hiesige Hirsch geht nie weit über Wüstenland. Aber sie mahnt uns auch zur

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