36 - Das Vermächtnis des Inka
Gewehren zu forschen.“
„Sind sie gestohlen worden?“
„Ja.“
„Nun, und wenn Sie den Dieb entdecken?“
„So habe ich Bericht zu erstatten.“
„Und dann?“
„Dann –? Nun, dann wird der General das Weitere verfügen.“
„Schön! Jetzt sind wir freilich einig. Sie haben nach gestohlenen Gewehren zu forschen, im Entdeckungsfall Bericht zu erstatten und dann das Weitere abzuwarten. Ich habe Gewehre gefunden; ob diese aber diejenigen sind, welche –“
„Bitte, Señor!“ unterbrach ihn der Leutnant, „sie sind es. Während Sie jetzt fort waren, habe ich mir eine Anzahl derselben angesehen. Es sind dieselben, welche heimlich aus dem Zeughaus fortgeschafft worden sind. Der General hat selbst den Verlust entdeckt und sofort, ohne daß jemand davon erfuhr, die eingehendsten Nachforschungen anstellen lassen. Was sich ergab, mußte überraschen. Höchstwahrscheinlich hat der Zeugmeister sich bestechen lassen. Er gab mehrere hundert Gewehre nebst reichlicher Munition in die Hände von Leuten, welche einen Aufruhr planen. Wer an ihrer Spitze steht, war noch nicht zu erfahren; gewiß aber ist, daß der Stierfechter Antonio Perillo dabei die Hand im Spiel hat. Dieser Mann ist kurz nach dem Diebstahl, also vor einigen Monaten, mit Arbeitern und Werkzeugen und Waffen nebst Schießbedarf über den Rio Salado gegangen und später nur mit den Arbeitern und Werkzeugen zurückgekehrt. Er hat die Waffen nicht verkauft oder verteilt, sondern vergraben. Wozu hätte er sonst Spaten und Schaufeln mitgenommen? Man wollte und mußte erfahren, wo dies geschehen ist. Und da ich den Chaco kenne und zugleich Offizier bin, wurde mir der Auftrag, auch über den Salado zu gehen, um nachzuforschen. Die Aripones sind gegenwärtig regierungsfeindlich gesinnt; an sie durfte ich mich also nicht wenden; ich suchte also die Cambas auf und traf den Häuptling mit vier Kriegern, von denen der eine zur angegebenen Zeit weiße Männer an der Zwillingsquelle gesehen hatte. El Cárneo duro war sofort bereit, mit mir nach diesem Ort zu reiten. Unterwegs trafen wir auf eine Schar von über achtzig Aripones, welche, wie mir der Häuptling sagte, vom Palmensee zu kommen schienen. Sie behandelten uns feindlich; ich wehrte mich und schoß einige von ihnen tot, wurde aber mit meinen Begleitern überwältigt, entwaffnet, ausgeraubt und nach der Quelle geschafft, wo wir heute früh ertränkt werden sollten. Diese beiden Knaben hier haben uns gerettet. Ich hörte, wo Sie die Waffen gefunden haben, und da dieselben unbedingt die gesuchten sind, bin ich überzeugt, daß Sie mir dieselben ausliefern werden.“
„Nein, Señor, das werde ich nun doch nicht tun. Berichten Sie an den General; was dieser dann bestimmt, das wird geschehen. Zunächst könnten Sie weder die Gewehre noch die Munition verwerten; ich aber brauche sie höchst notwendig.“
„Wozu?“
„Um die Cambas zu bewaffnen und mit ihrer Hilfe die Feinde des Generals zu schlagen. Ich weiß nämlich mehr, als Sie wissen, und werde es Ihnen mitteilen.“
Er erzählte ihm das bisher Erlebte. Als er das getan hatte, war der zwar rohe und gewalttätige, aber höchst patriotische Offizier mit Freuden bereit, auf seine Forderung zu verzichten. Er bat, sich der Schar anschließen zu dürfen, was ihm auch gewährt wurde, doch unter der Bedingung, daß er sich dem Vater Jaguar unterzuordnen habe.
Als dies erledigt war, wollte Hammer die Heldentat der beiden Jünglinge kennenlernen. Haukaropora weigerte sich in seiner Bescheidenheit, zu erzählen, folglich mußte Anton Engelhardt den Bericht erstatten. Er tat dies in der Weise, daß die Klugheit, die Umsicht und die Tapferkeit des Inka vollständig zur Geltung kamen. Er wurde nicht nur belobt, sondern sogar bewundert, doch bat ihn der Vater Jaguar, ein anderes Mal erst ihn um Rat zu fragen. Der Offizier aber bekam einen Verweis dafür, daß er zwei Menschen ohne Not getötet hatte. Während man die Heldentat der beiden jungen Freunde noch besprach, zog der alte Anciano seinen Zögling auf die Seite, umarmte ihn und sagte, unbedachtsamerweise in spanischer Sprache: „Du bist ein Held und hast gezeigt, was du bist, el Hijo del Inka!“
Hammer stand nahe dabei, hörte diese Worte und sagte im stillen zu sich: „Ah! Also hat meine Ahnung mich nicht getäuscht, das Dunkel wird schon heller. Er ist ein Nachkomme der alten Herrscher von Peru – el Hijo del Inka, der Sohn des Inka!“
ZWÖLFTES KAPITEL
Vater Jaguars Erzählung
Nach dem
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